Der Engländer
Gessler macht es sich zur Gewohnheit, nur aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln. Er läßt sich nicht einschüchtern - und noch mehr Geld braucht er ganz bestimmt nicht. Versuchen Sie's damit, gehen Sie dort mit leeren Händen weg, falls Sie überhaupt weggehen.«
»Natürlich gehe ich wieder weg.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.«
»Ich gehe wieder weg, weil Sie dafür verantwortlich sind, daß mir nichts zustößt. Wir wissen, wo Sie wohnen, wir wissen, welche Schule Ihre Kinder besuchen, und wir wissen immer, wo Sie zu finden sind.«
Petersons Lippen verzogen sich wieder zu seinem arroganten Lächeln. »Ich hätte nicht gedacht, daß ein Mann mit Ihrer Vergangenheit die Familie eines anderen bedrohen würde. Aber verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Mittel, nicht wahr? Also gut, bringen wir's hinter uns. Ich will dieses verdammte Haus nicht mehr sehen.«
Peterson machte kehrt und ging hügelaufwärts zu dem Landhaus zurück. Oded blieb ihm schweigend auf den Fersen.
Lavon legte Gabriel eine schmale Hand auf die Schulter.
»Vielleicht hat er recht. Vielleicht solltest du dich nicht in die Höhle des Löwen begeben.«
»Keine Angst, er sorgt dafür, daß ich dort heil rauskomme.
Außerdem hat Gessler nichts davon, wenn er mich jetzt umbringen läßt.«
»Trotzdem hat er recht: Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Mittel. Laß lieber die Finger davon.«
»Ich will nicht, daß sie Sieger bleiben, Eli.«
»Leute wie Otto Gessler bleiben immer Sieger. Wo zum Teufel willst du außerdem das Geld hernehmen, um die Bilder von ihm zurückzukaufen? Von Schamron? Ich kann's kaum erwarten, das Gesicht des Alten zu sehen, wenn du den Kaufpreis auf Spesen abrechnen willst!«
»Ich brauche kein Geld von Schamron. Ich bekomme es von dem Mann, der die Gemälde ursprünglich gestohlen hat.«
»Augustus Rolfe?«
»Natürlich.«
»Wiedergutmachung, ja?«
»Vergebung, Eli, hat manchmal einen hohen Preis.«
Am Spätvormittag fuhren sie endlich ab. Peterson wirkte verärgert, als er auf der Kiesfläche vor dem Haus seinen Mercedes neben dem VW-Kastenwagen stehen sah, in dem er entführt worden war. Er stieg vorn rechts ein und ließ widerstrebend zu, daß Oded sein rechtes Handgelenk mit Handschellen an die Armstütze der Türverkleidung fesselte.
Gabriel setzte sich ans Steuer und ließ den Motor für Petersons Begriffe etwas zu aggressiv aufheulen. Oded machte es sich auf dem Rücksitz bequem, legte die Füße aufs hellbeige Leder und behielt die Beretta auf seinem Schoß.
Das Landhaus war nur fünfundzwanzig Kilometer vo n der Schweizer Grenze entfernt. Gabriel fuhr mit dem Mercedes voraus, und Eli Lavon folgte ihnen mit seinem Volkswagen. Am Grenzübergang herrschte wenig Betrieb, und ein gelangweilter Zollbeamter winkte sie nach flüchtiger Paßkontrolle durch.
Gabriel hatte Peterson vorübergehend die Handschellen abgenommen, aber einen Kilometer hinter der Grenze hielt er an einem Rastplatz und fesselte ihn wieder an die Armstütze.
Von dort aus fuhren sie in nordwestlicher Richtung nach
Davos, dann weiter nach Reichenau und von dort aus nach Westen ins Herz der Innerschweiz. Am Grimselpaß begann es zu schneien. Gabriel fuhr etwas langsamer, damit Lavon mit seinem klapprigen Kastenwagen nachkam.
Peterson wurde mit zunehmender Fahrtdauer merklich unruhiger. Er gab Gabriel Anweisungen, wie er fahren mußte, als führe er ihn zu einer vergrabenen Leiche. Als er verlangte, die Handschellen abgenommen zu bekommen, lehnte Gabriel ab.
»Sie sind ein Liebespaar?« fragte Peterson.
»Oded und ich? Er ist nett, aber leider nicht mein Typ.«
»Ich spreche von Anna Rolfe.«
»Ich weiß, von wem Sie sprechen. Ich dachte, ein bißchen Humor könnte die Situation entschärfen. Sonst wäre ich vielleicht versucht, Ihnen einen Kinnhaken zu verpassen.«
»Natürlich sind Sie ihr Liebhaber. Warum wären Sie sonst in diese Sache verwickelt? Sie hat schon viele Liebhaber gehabt, und Sie sind bestimmt nicht der letzte. Falls ihr Dossier Sie interessiert, zeige ich's Ihnen gern - als Gefälligkeit unter Kollegen, versteht sich.«
»Tun Sie irgendwas aus Prinzip, Gerhardt, oder machen Sie alles nur für Geld? Weshalb arbeiten Sie beispielsweise für den Rütlirat? Nur wegen des Geldes, oder sind Sie von der Richtigkeit dessen überzeugt, was diese Leute tun?«
»Beides.«
»Ach, wirklich? Welches Prinzip bringt Sie dazu, für Otto Gessler zu arbeiten?«
»Ich arbeite für Otto
Weitere Kostenlose Bücher