Der Engländer
können Sie damit umgehen, Gabriel?«
»Sonst hätte ich's nicht vorgeschlagen.«
»Vor zwei Wochen mußte ich Sie noch anbetteln, sich überhaupt für Rolfes Ermordung zu interessieren. Jetzt wollen Sie Krieg gegen die Schweiz führen.«
»Annas Vater wollte, daß wir die Gemälde bekommen, deren Eigentümer sich nicht mehr ermitteln lassen. Irgend jemand hat sie gestohlen, und ich will sie zurückhaben.«
»Trotzdem geht Ihre Motivation über die Gemälde hinaus, Gabriel. Ich habe einen Killer aus Ihnen gemacht, aber im Grunde Ihres Herze ns sind Sie ein Restaurator. Ich glaube, daß Sie das alles nur tun, weil Sie Anna Rolfe restaurieren wollen.
Sollte das zutreffen, lautet die nächste logische Frage: Weshalb wollen Sie Anna Rolfe restaurieren? Und darauf gibt es nur eine logische Antwort: Sie empfinden etwas für diese Frau.«
Schamron zögerte. »Und das ist die beste Nachricht, die ich seit langem gehört habe.«
»Ich habe sie gern.«
»Wenn Sie Anna gern haben, müssen Sie sie dazu überreden, ihr Konzert in Venedig abzusagen.«
»Das tut sie nicht.«
»Bleibt sie bei ihrer Weigerung, können wir daraus vielleicht unseren Vorteil ziehen.«
»Wie das?«
»Aus Erfahrung weiß ich, daß Täuschung und Irreführung in solchen Fällen die beste Taktik sind. Lassen Sie Anna ihr Konzert geben. Sie müssen nur dafür sorgen, daß Ihr Freund Christopher Keller es nicht in ein wahrhaft unvergeßliches Erlebnis verwandelt.«
»Ah, das ist der Ari Schamron, den ich kenne und liebe. Er will eine der größten Musikerinnen der Welt als Köder benützen!«
»Wir müssen mit dem Blatt spielen, das wir in die Hand bekommen.«
»Ich begleite Anna nach Venedig. Ich brauche einen zuverlässigen Mann, der inzwischen in Zürich die Stellung hält.«
»An wen haben Sie gedacht?«
»Eli Lavon.«
»Mein Gott, ein regelrechtes Klassentreffen des Jahrgangs 1972! Wäre ich ein paar Jahre jünger, würde ich auch mitmachen.«
»Nun geraten wir mal nicht gleich in Verzückung. Oded und Mordechai haben in Paris gute Arbeit geleistet.«
»Oded ist mir ein bißchen ähnlich, glaube ich.« Schamron hielt seine breiten Maurerhände hoch. »Er hat einen unglaublich kräftigen Griff. Bekommt er diesen Mann zu fassen, entwischt er ihm nicht mehr.«
34 - ZÜRICH
Eva hatte auf der teuren Luxuswohnung mit Blick über den Zürichsee bestanden, obwohl Gerhardt Peterson sie sich von seinem Beamtengehalt nicht leisten konnte. In den ersten zehn Jahren ihrer Ehe hatten sie das Defizit durch Zuzahlungen aus Evas kleiner Erbschaft ausgeglichen. Jetzt war das Geld verbraucht, und Peterson war die Aufgabe zugefallen, Eva den Lebensstil zu ermöglichen, den sie als ihr gutes Recht beanspruchte.
Die Wohnung war dunkel, als er endlich nach Hause kam. In der stockfinsteren Diele stürzte Evas verspielter Rottweiler sich auf Peterson und rammte ihm seinen steinharten Schädel gegen die Kniescheibe.
»Platz, Ajax! So, jetzt reicht's. Platz, Ajax! Verdammter Köter!«
Peterson tastete nach dem Schalter und machte Licht. Der Hund leckte einen seiner Slipper ab.
»Schon gut, Ajax. Laß das jetzt. Hau endlich ab!«
Der Rottweiler trottete mit auf dem Marmorboden klickenden Krallen davon. Peterson hinkte ins Schlafzimmer und rieb sich dabei sein schmerzendes Knie. Eva saß im Bett und hatte auf ihren Knien einen aufgeschlagenen Roman liegen. Im Fernsehen lief ohne Ton irgendein amerikanischer Kriminalfilm. Eva trug einen eleganten türkisgrünen Chiffonmorgenmantel. Sie war beim Friseur gewesen, und an ihrem linken Handgelenk glänzte ein schweres Goldarmband, das Peterson noch nicht kannte. Das Geld, das Eva in der Bahnhofstraße ausgab, machte den Schätzen, die unter der Straße in Ba nktresoren lagerten, ernstlich Konkurrenz.
»Was ist mit deinem Knie?«
»Dein Köter hat mich angefallen.«
»Er hat dich nicht angefallen. Er liebt dich.«
»Er ist zu anhänglich.«
»Er ist ein Mann, genau wie du. Er will von dir anerkannt werden. Würdest du ihn ab und zu ein bißchen beachten, würde er dich weniger stürmisch begrüßen, wenn du heimkommst.«
»Hat dir das dein Therapeut erzählt?«
»Nein, mein gesunder Menschenverstand, Schatz.«
»Ich wollte den verdammten Köter nie haben. Er ist viel zu groß für eine Wohnung.«
»Seit wir ihn haben, fühle ich mich sicher, wenn du fort bist.«
»Unsere Wohnung ist die reinste Festung. Hier kommt niemand rein. Und der einzige Mensch, den Ajax jemals anfällt, bin ich.«
Eva
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