Der Entertainer
zusammen verließ sie das Büro. Im Gang blieb sie stehen, wischte über ihre Stirn und fluchte auf die Polizei.
»Gehören Sie nicht dazu?« fragte ich sie.
»Nein.« Sie antwortete in Englisch und schaute uns interessiert an. »Ich bin Lehrerin, Sozialarbeiterin und eine dumme Gans, weil ich hier noch so etwas wie Idealismus zeige. Aber man kann die Menschen in den Favelas nicht verrecken lassen.«
»Das stimmt.«
»Kommen Sie aus den Staaten?«
»Nein, aus London.«
»Auch Bullen?«
»Scotland Yard.«
Sie lachte. »Wieder einmal diese Informationsbesuche, von denen man immer liest?«
»Überhaupt nicht. Wir suchen den Entertainer!« klärte Suko die Frau auf.
Sie zuckte zusammen. »Wen oder was suchen Sie?«
»Den Entertainer.«
Da lachte sie. »Das ist doch Irrsinn. Zwei Fremde sollen einen Killer stoppen?«
»Warum nicht?«
»Weil Sie hier verloren sind. Sie kennen Rio nicht. Das ist die Hölle, verdammt.«
Ich hatte eine Idee. »Würden Sie uns denn dabei helfen, Rio näher kennenzulernen.«
Jetzt war sie perplex. »Meinen Sie das im Ernst? Oder wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
Ich antwortete mit einem alten Kalauer. »Das täte ich zwar gern, aber nicht jetzt.«
»Nun ja, ich habe erreicht, was ich erreichen wollte. Eigentlich hätte ich Zeit.«
»Auch am Abend?«
»Sicher«, lächelte sie. »Aber sagen Sie bitte, weshalb Sie aus London kommen, um einen Killer zu jagen. Das will mir einfach nicht in den Schädel.«
»Weil wir daran glauben, daß bei diesen Taten nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.«
Sie holte tief Luft. »Ach ja?«
»So sehen wir es.«
»Was ist denn Ihre Meinung?«
Diesmal antwortete Suko. »Hören Sie zu. Wir sind davon überzeugt, daß die Menschen von einer Bestie umgebracht worden sind. Und zwar von einem Werwolf. Wir haben Fotos gesehen…«
Sie trat einen Schritt zurück. Wäre da nicht die Wand gewesen, sie wäre noch weiter gegangen, so aber blieb sie stehen und schaute uns an, als wären wir nicht richtig in der Reihe. »Glauben Sie das wirklich?«
»Ja.«
Die Frau nickte, starrte auf ihre Turnschuhe und streifte mit den gespreizten Fingern durch ihr Haar. »Ich heiße übrigens Maria Falanga. Sagen Sie Maria.«
Auch wir stellten uns vor. Ich konnte mir nicht verkneifen zu fragen, woher ihr plötzlicher Umschwung kam.
»Das kann ich Ihnen erklären. Selbst ich habe schon daran gedacht, daß eine ähnliche Bestie die Menschen überfallen und getötet hat. Das behielt ich natürlich für mich, aber…«
»Haben Sie denn einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?« erkundigte ich mich.
Sie fuhr mit einem Fingernagel über ihre Wange. »Nein, das habe ich leider nicht.«
»Demnach auch keine Spur?«
»Bestimmt nicht. Aber man könnte vielleicht eine Spur aufnehmen.«
»Wie meinen Sie das?«
Sie stand vor uns, nickte und bewegte dabei noch ihren ausgestreckten Zeigefinger. »Folgendes. Wenn Sie davon überzeugt sind, daß es sich um einen Werwolf handelt, dann ist diese Bestie etwas Schauriges und Böses. Stimmt das?«
»Ja.«
»Und das Böse strahlt Böses ab. Ist das auch richtig?«
»Wir widersprechen nicht.«
»Gut, gut.« Sie redete weiter, nickte auch dazu und bewegte ihren Zeigefinger. »Wenn Böses abstrahlt, müßte man es finden können. Man muß nur den richtigen Weg wissen.«
»Stimmt auch.« Ich fragte weiter. »Kennen Sie den denn?«
»Vielleicht.«
»Dann raus damit!« forderte Suko sie auf. »Madame Oviano.«
»Wer ist das?«
»Eine Voodoo-Königin, die angeblich auch die Toten beschwören kann. Das erzählt man sich.«
»Hervorragend.« Suko lachte. »Und wo finden wir diese Madame?«
»Auf dem Friedhof!«
»Tot oder…?«
»Nein, lebendig natürlich. Ich hoffe es zumindest. Oder in ihrem Haus. Keine Sorge«, sagte sie lächelnd. »Wir werden sie finden. Ich gehöre zu den wenigen Personen, die ihre Rufnummer besitzen.«
»Dürfen wir es dann als Glücksfall ansehen, Sie gefunden zu haben?« fragte ich.
»Das steht noch nicht fest, John…«
***
Die Kneipe war so trostlos wie eine Bushaltestelle in den frühen Morgenstunden bei Nebel. Freiwillig wären wir nicht dorthin gegangen, aber die Voodoo-Königin hatte es so gewollt, und wir mußten tun, was sie von uns verlangte.
Suko und ich hockten an einem Tisch mit klebriger Platte. Da mischten sich eingetrocknete Bierreste, Fliegen und Dreck zusammen. Wir hatten auch etwas bestellt, und zwar irgendein Zeug aus der Dose, das wie Cola aussah, aber anders
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