Der Entertainer
beiden Armen herum. »Ist der denn total durchgedreht?«
»Auf so eine Mutter kann ich verzichten!« hauchte Suko.
»Ebenfalls.«
Und Rinaldo tat etwas. Er stand unter der Kontrolle zahlreicher Blicke. Jeder Gast wollte sehen, wie er es schaffte, sich aus der Affäre zu ziehen.
Mit langen Schritten lief er der Bühne entgegen, wo Vasco stand, seinen Vater trotz des Lichts gesehen hatte und hinter die Kiste sprang, als könnte sie ihm Deckung geben.
»Bleib ja stehen!« schrie er. »Komm mir nicht zu nahe!«
Rinaldo Falanga stoppte tatsächlich. »Verdammt noch mal, was willst du denn?«
Soviel bekam ich von der Sprache mit. Oder konnte wenigstens einen Reim darauf machen.
Die Reaktion des Jungen allerdings war international. Er stieß ein gellendes Gelächter aus, das wissend und triumphierend zugleich klang und auf meinem Rücken einen Schauer hinterließ. Ich machte mich auf etwas Schlimmes gefaßt, stieß Suko an und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Bühne.
»Okay, schauen wir uns das mal an.«
»Was willst du denn?« kreischte Rinaldo.
Der junge Falanga lachte weiter. Dann bückte er sich und hob den Deckel der Kiste an. Seine Hände tauchten hinein, packten zu und zerrten im nächsten Augenblick den Inhalt hervor. Es war die blutüberströmte Leiche eines Wächters.
***
Der Entertainer war wieder unterwegs!
Er fühlte sich gut, denn er hatte seinen Plan erfüllt, auch wenn sich inzwischen die Zahl seiner Gegner verdoppelt hatte. Mit ihnen würde er trotzdem fertig werden, denn in seiner großen, nächtlichen Schau sollten sie der Mittelpunkt sein.
Die Bestie schlich durch das Haus, obwohl sich in den oberen Etagen niemand aufhielt. Der Tote lag in der Truhe, diese wiederum war abtransportiert worden. Die Gäste befanden sich in einer schon vorgerückten Stimmungslage, und das Grauen würde in den Pulk der Feiernden hineinschlagen wie ein Blitzstrahl.
Der Entertainer fühlte sich gut, als er vor einem großen Fenster stehenblieb und in den dunklen Teil des Gartens schaute. Sehr schwach malte sich sein Schädel in der Scheibe ab. Ein furchtbarer Kopf, der an einen Werwolf erinnerte, aber keiner war. Auf dem Schädel wehten die grauen Haare, im Gesicht wuchs auch kein Pelz wie auf den Stellen des übrigen Körpers. Die dicke Haut erinnerte an altes, rauhes, rissiges Leder, in dem die vorgeschobenen Lippen es kaum schafften, die gräßlichen Zähne zu verbergen.
Das war ein Gebiß zum Töten. Und dieses Töten lastete wie ein nächtlicher Fluch auf der Bestie. Sie mußte es tun, denn sie war in einen Kreislauf hineingeraten, in dem ihr nichts anderes übrigblieb. Sie Warden Weg gegangen, sie hatte es so gewollt. Für den Entertainer waren die Welten interessant geworden, die anderen Menschen verborgen blieben. Er hatte einen Blick in fremde Reiche werfen wollen, was ihm auch gelungen war. Nur war seine Seele nach der Rückkehr grausam gespalten worden.
Einmal Mensch, einmal Bestie…
Der Entertainer zog sich zurück. Wenn er sich bewegte, geschah dies sehr geschmeidig, leichtfüßig. Er konnte fast lautlos gehen, deshalb war es ihm immer wieder gelungen, die Menschen zu überraschen. Da war er über sie gekommen mit einer wahren Brachialgewalt und hatte der grausamen und menschenfeindlichen Stadt Rio einen weiteren Stempel aufgedrückt.
Im Haus wollte der Mörder nicht mehr länger bleiben. Als er eine breite Treppe erreichte, blieb er vor der obersten Stufe stehen und schaute nach unten.
Irgendwo brannte Licht. Die letzten Ausläufer des Scheins wischten vor dem Ende der Treppe vorbei, und das harte Geräusch schneller Schritte drang an die Ohren der Bestie.
Kam jemand die Stufen hoch?
Nein, die Schritte verklangen. Eine Tür fiel hörbar zu, danach trat Stille ein.
Die Bestie hatte freie Bahn. Eine Pranke schleifte über den Handlauf des hellen Geländers, als der Mörder nach unten lief, durch die Dunkelheit glitt und eine Hintertür avisierte.
Vorsichtig wurde die Tür aufgezogen. Ein erster Blick aus den kalten, leicht rötlich schimmernden Augen in die Finsternis. Nichts war zu sehen, nur der Lärm der Gäste drang über das Hausdach hinweg und breitete sich im Garten aus.
Das war wichtig für die Bestie…
Wenig später tappten die breiten Füße über den weichen Boden. Der Kopf bewegte sich, die Augen suchten nach irgendwelchen Gegnern oder Feinden. Kein Wächter ließ sich blicken. Die Männer nahmen ihren Job nicht so ernst. Sie standen zusammen, tranken, rauchten und
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