Der Entertainer
einstudiert. Ich hatte das Gefühl, daß uns jeder der Anwesenden etwas vormacht.«
»Auch Maria Falanga?«
»Sicher, auch sie.«
Suko wollte trinken, stellte das Glas aber wieder ab. »Darf ich fragen, was das bedeuten soll?«
»Ich weiß es selbst nicht, ehrlich. Aber meine Gedanken kreisen ständig um sie und ihren Bruder.«
»Du vergißt einen dritten, den Entertainer.«
»Da hast du recht.«
Suko lächelte. »Wie ich dich kenne, grübelst du über eine Lösung nach. Richtig?«
»Ja, auch das.« Ich rauchte und starrte mit schmalen Augen auf die zahlreichen Flaschen im Regal. »Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß du dir nicht ebenfalls Gedanken darüber gemacht hast. Wie bei mir, so werden sie sich um zwei Punkte drehen. Maria und ihr Bruder Vasco spielen dabei eine Hauptrolle.«
»Dann ist einer von ihnen der Entertainer.«
Ich trank, schaute Suko dabei an, schluckte, stellte das Glas weg und sagte: »Das habe ich nicht behauptet.«
»Aber es stimmt.«
»Vielleicht…«
Suko räusperte sich. »Bleiben wir mal bei Maria Falanga. Kannst du dir vorstellen, daß sie sich in eine Bestie verwandelt und Menschen reihenweise umbringt?«
»Vorstellen nicht, aber ich muß den Realitäten ins Auge sehen. Denk mal nach, Suko. Hast du sie gesehen, als wir den Auftritt ihres Bruders erlebten?«
»Nein.«
»Eben.«
Suko zeichnete mit der Fingerspitze Kreise auf die polierte Thekenplatte.
»Du gehst also davon aus, daß sie ihren Bruder vor den eigenen Karren gespannt hat?«
»Ich könnte es mir sogar vorstellen. Sie hat uns wirken lassen und sich ins Fäustchen gelacht. Als alles vorbei war, kam sie zu Madame Oviano und erzählte, daß sie in ihrem Zimmer gewesen wäre und dort geschlafen hätte. Das will mir nicht in den Kopf. Ich… ich habe einfach das Gefühl, daß wir bisher den falschen Weg gegangen sind.«
»Wo befindet sich der richtige?«
»Wenn ich das wüßte. Es gibt niemand, der uns helfen kann. Kommen wir Cavaldos mit unserem Verdacht, so wird er uns auslachen. Nein, wir werden uns…«
»Schau mal nach rechts, Alter, da kommt jemand.«
Ich drehte den Kopf und glaubte an eine optische Täuschung. Maria Falanga war es nicht, aber eine andere Bekannte kam: Coco. Sie war außer Atem, sie zitterte am gesamten Körper, nahm auf einem freien Hocker Platz und fing an zu weinen.
Ich bestellte ihr einen Drink.
Erst nachdem sie den Rum getrunken hatte, ging es ihr wieder besser.
»Es ist so schwer«, sagte sie. »Es ist… ich habe sie getötet.«
Wir schauten uns an, bleich geworden, und Coco blickte ebenfalls zu uns.
»Wen hast du getötet?«
»Madame Oviano.«
Sie sprach ein sehr kümmerliches Englisch, und wir mußten uns schon anstrengen, um sie überhaupt verstehen zu können. Aber sie konnte auch etwas Spanisch, und damit kam ich viel besser zurecht. So erfuhren wir, was sich auf dem Grundstück und in der Hütte alles ereignet hatte.
Sie klärte uns auch über die Hintergründe, auch über die Rolle, die die Voodoo-Königin dabei gespielt hatte, auf. »Schlecht war sie, bis tief in ihrem Herzen schlecht. Sie hat alle nur benützt, auch mich und den Entertainer.« Coco schaute uns während ihrer Worte nicht an. Sie redete einfach ins Leere hinein.
»Und wie bist du hergekommen?«
»Einer der Gäste nahm mit mit, John. Ihr habt ja davon erzählt, in welch einem Hotel ihr wohnt.«
»Das stimmt.«
»Jetzt bin ich hier.«
»Und du gehst davon aus, daß Maria Falanga der Entertainer ist?« fragte Suko.
»Davon gehe ich nicht nur aus, das weiß ich sogar. Sie ist der Killer, sie ist die Bestie.«
»Was sagst du?« fragte ich Suko.
»Ich gebe ihr recht.«
»Okay, ich auch. Nun hocken wir hier an der Bar und wissen nicht, wo sich Maria aufhält. Rio ist ein gewaltiger Hexenkessel. Sie kann sich überall verbergen. Da suchen wir uns die Seele aus dem Leib…«
»Wenn ich mal etwas sagen darf«, meldete sich Coco.
»Bitte.«
»Maria und ich haben uns verstanden. Wir kannten uns zwar nicht gut, aber ich weiß etwas über sie. Auch hat mir Madame Oviano einiges über die Frau berichtet.«
Ich kam zum Thema. »Weißt du, wo sie wohnt?«
»Ja!«
»Dann raus damit!«
»Ihre zweite Bleibe befindet sich in einem hohen Haus. Es liegt nicht einmal sehr weit entfernt von hier.«
»Aber nicht in den Favelas — oder?«
Coco schüttelte entschieden den Kopf. »Da hat sie zwar mal hin und wieder übernachtet, das war auch alles. Ich werde euch gern hinführen, wenn ihr
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