Der entzauberte Regenbogen
an den Schulen so viel Wert auf praktisches Experimentieren gelegt wird, mag manche Kinder hervorragend ansprechen, aber vielleicht ist es überflüssig oder sogar kontraproduktiv für jene, die ebenso, aber auf andere Weise gescheit sind.
Kürzlich gestaltete ich eine Fernsehsendung über die Naturwissenschaft in unserer Kultur (es war diejenige, die A. A. Gill rezensierte). Einer der vielen lobenden Briefe, die ich daraufhin erhielt, begann mit dem bissigen Satz: «Ich bin Klarinettenlehrer und meine einzige Erinnerung an den naturwissenschaftlichen Schulunterricht besteht in einer langwierigen Untersuchung des Bunsenbrenners.» Der Brief brachte mich auf den Gedanken, dass man durchaus das Klarinettenkonzert von Mozart genießen kann, ohne selbst Klarinette zu spielen. Man kann sogar zu einem fachkundigen Musikkenner werden, ohne dass man in der Lage sein müsste, auch nur einen Ton auf irgendeinem Instrument zu spielen. Natürlich gäbe es keine Musik mehr, wenn niemand ein Instrument lernen würde. Aber wenn jeder mit der Vorstellung aufwüchse, Musik sei gleichbedeutend mit dem Spielen von Musik, wäre das Leben vieler Menschen beträchtlich ärmer.
Können wir nicht lernen, auch über Naturwissenschaft ähnlich zu denken? Sicher ist es wichtig, dass manche Menschen, darunter einige der besten und klügsten, Naturwissenschaft praktisch betreiben lernen. Aber können wir sie nicht auch als ein Fach unterrichten, über das man liest und sich freut, genau wie man das Musikhören lernt, ohne sich mit Fingerübungen herumzuquälen, um sie zu spielen? Keats schreckte vor dem Seziersaal zurück, und wer wollte es ihm verdenken? Genauso erging es Darwin. Hätte Keats weniger praktischen Unterricht genossen, wäre er der Naturwissenschaft und Newton vielleicht stärker zugeneigt gewesen.
An dieser Stelle möchte ich die Nähe zu Simon Jenkins suchen, Großbritanniens bekanntestem wissenschaftskritischen Journalisten und früheren Redakteur der Times . Jenkins ist ein ernst zu nehmenderer Gegner als die anderen, die ich zuvor zitiert habe, denn er weiß, wovon er spricht. Er räumt ohne weiteres ein, dass naturwissenschaftliche Bücher anregend sein können, aber er hat etwas dagegen, dass die Naturwissenschaften in den heutigen Lehrplänen einen so großen Stellenwert genießen. In einem Gespräch mit ihm, das ich 1996 auf Band aufnahm, sagte er:
Von den naturwissenschaftlichen Büchern, die ich gelesen habe, kann ich nur wenige für nützlich halten. Großartig waren sie allerdings alle. Sie haben mir tatsächlich das Gefühl vermittelt, dass die Welt um uns herum reichhaltiger, herrlicher, staunenswerter ist, als ich es mir jemals hätte träumen lassen. Das war für mich das Wunder der Wissenschaft. Das ist der Grund, warum Science-Fiction die Menschen immer noch so fasziniert. Das ist der Grund, warum der Wechsel von der Science-Fiction zur Biologie so aufregend ist. Nach meiner Überzeugung hat die Naturwissenschaft eine tolle Geschichte zu erzählen. Aber nützlich ist sie nicht. Sie ist nicht nützlich wie ein Seminar in Betriebswirtschaft oder Jura, ja noch nicht einmal wie ein Kurs in Politik oder Wirtschaftswissenschaft.
Jenkins’ Ansicht, Naturwissenschaft habe keinen Nutzen, ist so verschroben, dass ich darüber hinweggehen möchte. Selbst ihre härtesten Kritiker räumen in der Regel ein, Naturwissenschaft sei nützlich, vielleicht sogar allzu nützlich, und gleichzeitig übersehen sie Jenkins’ wichtigste Aussage: dass sie großartig sein kann. Mit ihrer Nützlichkeit untergräbt die Naturwissenschaft in ihren Augen unser Menschsein, oder sie zerstört das Geheimnis, das manchmal als Nährboden für eine gedeihende Poesie gilt. Bryan Appleyard, ein anderer nachdenklicher britischer Journalist, schrieb 1992, die Naturwissenschaft richte «entsetzlichen spirituellen Schaden an». Nach seiner Ansicht «redet sie uns ein, wir sollten uns aufgeben, unser wahres Ich». Damit bin ich wieder bei Keats und seinem Regenbogen, und das leitet über zum nächsten Kapitel.
3 Strichcodes in den Sternen
Und niemals schien
Des Regenbogens frühlingshafter Schmelz
So schön mir wie an jenem Tage,
Da uns die Wissenschaft hat aufgezeigt,
Wie Sonnenstrahlen hell von Westen her
Auf dunstger Wolken dunkle Schleier
Im Osten und auf ihre Tröpfelschauer treffen,
Die kristalline Wölbung von geballtem Tau
In ihres Strebens Bahn durchdringen,
Und dann, im Hintergrund der glasgen Kugel,
Sich kehren am konkaven
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