Der entzauberte Regenbogen
eigenen Regenbogen. Ein kleines Loch im Fensterladen ließ einen Sonnenstrahl herein, und in den Strahlenweg stellte er sein berühmtes Prisma; es brach den Lichtstrahl, das heißt, es lenkte ihn einmal beim Eindringen in das Glas ab und dann ein zweites Mal auf der anderen Seite, wo er wieder in die Luft austrat. Das Licht fiel gegenüber auf die Zimmerwand und dort konnte Newton die Spektralfarben deutlich erkennen. Er war nicht der Erste, der mit einem Prisma einen künstlichen Regenbogen erzeugte, aber als Erster wies er damit nach, dass weißes Licht ein Gemisch verschiedener Farben ist. Das Prisma dividiert sie auseinander, weil es sie um unterschiedliche Winkel ablenkt: Die Ablenkung ist für Blau am größten und für Rot am kleinsten; Grün, Gelb und Orange liegen dazwischen. Andere hatten verständlicherweise geglaubt, das Prisma verändere das Licht und verleihe ihm erst die Farben und nicht, dass es die vorhandenen Farben eines Gemisches trenne. Newton legte die Streitfrage mit zwei Experimenten bei, in denen er das Licht durch ein zweites Prisma fallen ließ. In seinem «experimentum crucis» brachte er hinter dem ersten Prisma einen Schlitz an, der nur einen kleinen Teil des Spektrums passieren ließ, beispielsweise den roten Bereich. Wurde das rote Licht nun von einem zweiten Prisma gebrochen, kam nur noch rotes Licht heraus. Damit war gezeigt, dass das Licht vom Prisma nicht qualitativ verändert, sondern nur in seine normalerweise vermischten Bestandteile zerlegt wird. In dem zweiten entscheidenden Experiment stellte Newton das zweite Prisma auf den Kopf. Jetzt wurden die Spektralfarben, die das erste Prisma aufgefächert hatte, vom zweiten vereinigt. Das Ergebnis war wieder weißes Licht.
Am einfachsten versteht man das Spektrum mit einer Wellentheorie des Lichtes. Entscheidend ist bei Wellen, dass nichts tatsächlich den ganzen Weg von der Quelle bis zum Ziel zurücklegt. Sofern es Bewegung gibt, ist sie geringfügig und räumlich eng begrenzt. Lokale Bewegungen setzen Bewegungen im nächsten Raumabschnitt in Gang und so weiter, den ganzen Weg entlang wie die berühmte «La Ola» im Fußballstadion. An die Stelle der ursprünglichen Wellentheorie des Lichtes trat später die Quantentheorie, der zufolge Licht ein stetiger Strom von Photonen ist. Physiker haben auf meine drängenden Fragen hin eingeräumt, dass Photonen von der Sonne wegströmen, und zwar auf eine Weise, wie sich Fußballfans nie von einem Ende des Stadions zum anderen bewegen. Dennoch haben scharfsinnige Experimente im 20. Jahrhundert gezeigt, dass sich selbst die Photonen der Quantentheorie wie Wellen verhalten. Für viele Zwecke, so auch für die des vorliegenden Kapitels, können wir die Quantentheorie außer Acht lassen und Licht einfach als Wellen betrachten, die sich von der Lichtquelle entfernen wie die Wellen in einem Teich, wenn man einen Stein hineinwirft. Aber Lichtwellen wandern unvergleichlich viel schneller und in alle Raumrichtungen. Den Regenbogen zu zerlegen heißt, ihn in seine Bestandteile mit verschiedenen Wellenlängen auseinander zu dividieren. Weißes Licht ist eine wilde Mischung von Wellenlängen, eine optische Kakophonie. Weiße Gegenstände reflektieren Licht aller Wellenlängen, aber anders als ein Spiegel würfeln sie es gleichzeitig durcheinander, sodass es inkohärent wird. Deshalb kann man vor einer weißen Wand zwar das zurückgeworfene Licht, nicht aber das eigene Gesicht erkennen. Schwarze Gegenstände absorbieren Licht aller Wellenlängen. Farbige Objekte dagegen nehmen wegen der Atomstrukturen ihrer Farbstoffe oder Oberflächenschichten nur bestimmte Wellenlängen auf, während andere reflektiert werden. Einfaches Glas gestattet allen Wellenlängen den Durchtritt. Farbiges Glas lässt Licht bestimmter Wellenlängen durch und absorbiert andere.
Wie kommt es, dass Licht durch die Brechungswirkung eines Prismas oder – unter den richtigen Bedingungen – eines Regentropfens in seine Farben zerlegt wird? Und warum brechen Glas und Wasser überhaupt das Licht? Zur Brechung kommt es, weil die Lichtstrahlen beim Übergang von Luft in Glas (oder Wasser) gebremst werden. Treten sie aus dem Glas aus, werden sie wieder schneller. Wie ist das möglich, wo die Lichtgeschwindigkeit doch nach Einsteins Machtwort die große physikalische Konstante des Universums ist und nichts sie übertreffen kann? Die Antwort: Die berühmte Maximalgeschwindigkeit, die durch das Symbol c wiedergegeben wird, erreicht das
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