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Der entzauberte Regenbogen

Der entzauberte Regenbogen

Titel: Der entzauberte Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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freundliche alte Dame stieg aus, tröstete das Kind und bot ihm an, es nach Hause zu bringen. «Das geht nicht», kam die wimmernde Antwort, «ich darf nicht mit Fremden mitgehen.») Ein Kind ist manchmal gezwungen, das genaue Gegenteil von Leichtgläubigkeit zu praktizieren: Es muss hartnäckig an der Anweisung eines Erwachsenen festhalten, auch wenn später eine verführerische und plausible – aber der ersten widersprechende – zweite Anweisung kommt.
    Die Worte «leichtgläubig» und «vertrauensselig» allein treffen also auf Kinder nicht ganz zu. Wirklich leichtgläubige Menschen halten alles für wahr, was man ihnen gerade erzählt hat, auch wenn es den früheren Aussagen eines anderen widerspricht. Die kindliche Eigenschaft, um die es mir hier geht, ist aber nicht diese reine Vertrauensseligkeit, sondern eine komplizierte Mischung aus Leichtgläubigkeit und ihrem Gegenteil – dem hartnäckigen Festhalten an einer einmal gewonnenen Überzeugung. Insgesamt lautet das Rezept also: erst einmal Leichtgläubigkeit, gefolgt von einer ebenso eigensinnigen Unbeugsamkeit. Wie verheerend diese Kombination wirken kann, ist leicht zu erkennen. Die alten Jesuiten wussten genau Bescheid: «Gib mir das Kind in den ersten sieben Jahren, dann gebe ich dir den Mann.»

7 Berechnete Schauer
… hilft auch kein großer Geist, um mehr
Vom finsteren Geheimnis zu verstehn …
John Keats, «Schlaf und Dichtung» (1817)
    Der bekannte Reproduktionsmediziner Robert Winston malte sich einmal aus, welche Werbeanzeige ein skrupelloser Scharlatan in die Zeitungen setzen könnte. Sie richtet sich an Eltern, die als nächstes Kind beispielsweise einen Sohn haben wollen (der dieser Annahme zugrunde liegende Sexismus stammt nicht von mir, sondern war früher überall auf der Welt zu Hause und ist auch heute noch vielerorts zu finden). «Für nur 500 Pfund erhalten Sie meine Patentarznei, damit es ein Junge wird. Bei Versagen Geldrückgabegarantie!» Das Versprechen, Geld zurückzuerstatten, soll das Vertrauen in die Methode steigern. Da natürlich in etwa der Hälfte der Fälle ohnehin Jungen zur Welt kommen, wäre das Verfahren eine hübsche Einnahmequelle. Der Scharlatan könnte sogar ohne weiteres für jedes Mädchen noch eine Entschädigung von 250 Pfund über die Kaufpreiserstattung hinaus anbieten – auf lange Sicht hätte er damit immer noch einen schönen Profit.
    Ein ähnliches Beispiel führte ich 1991 in meinen Weihnachtsvorlesungen bei der Royal Institution an. Ich erklärte, ich hätte allen Grund zu der Annahme, dass sich unter meinen Zuhörern eine paranormal begabte Person befinde, die hellsehen und Ereignisse allein durch Gedankenkraft beeinflussen könne. Und diese Person wolle ich nun ausfindig machen. Ich sagte: «Stellen wir zuerst einmal fest, ob sich das Medium in der rechten oder der linken Hälfte des Hörsaals befindet.» Ich forderte alle auf, sich zu erheben, und meine Assistentin warf eine Münze. Alle Zuhörer auf der linken Seite des Raumes sollten dabei «wollen», dass der Kopf nach oben zu liegen kam, und alle auf der rechten Seite sollten sich auf die Zahl konzentrieren. Natürlich musste eine Seite verlieren, und die Leute dort durften sich setzen. Die Verbleibenden teilte ich wiederum in zwei Hälften, von denen die eine den Kopf und die andere die Zahl «wollte». Wieder durften sich die Verlierer setzen. Und so weiter, bis nach sieben oder acht Halbierungsrunden zwangsläufig nur noch eine Person stand. «Einen großen Applaus für unser Medium!» Musste sie nicht übersinnliche Fähigkeiten besitzen, wo sie die Münze doch achtmal hintereinander zu ihren Gunsten beeinflusst hatte?
    Der Vortrag wurde vom Fernsehen aufgezeichnet und später gesendet; wäre es eine Live-Übertragung gewesen, hätte man den Nachweis noch eindrucksvoller gestalten können. Dann hätte ich alle Zuschauer, deren Vorname mit Buchstaben vor dem J im Alphabet beginnt, zur Konzentration auf den Kopf aufgefordert, und alle anderen hätten die Zahl wünschen müssen. Die Hälfte, in der sich das «Medium» befand, hätte ich wiederum in zwei Hälften eingeteilt und so weiter. Ich hätte alle aufgefordert, die Reihenfolge ihrer «Wünsche» schriftlich festzuhalten. Bei zwei Millionen Zuschauern wären 21 Spielrunden notwendig gewesen, um zu einer einzigen Person zu gelangen. Um sicherzugehen, hätte ich ein wenig vorher eine Pause eingelegt: Ungefähr nach der 18. Runde hätte ich alle, die noch im Spiel waren, im Studio

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