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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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diesmal wußte ich einfach, daß er die Wahrheit sagte.
    Endlich, nach mehr als fünf Minuten, in denen wir einander nur schweigend angestarrt hatten, fand ich mühsam meine Sprache wieder. »Und wie … kommt es in … in deinen Besitz?« fragte ich stockend.
    »Es gehört mir nicht, Robert«, antwortete Großvater. »Ich verwahre es nur.«
    Ich wußte ganz genau, was jetzt kam, aber ich fragte trotzdem: »Und wem gehört es?«
    Großvater senkte den Blick. Seine schmalen, sehnigen Hände begannen mit einem Zipfel des Taschentuches zu spielen, ohne daß er es auch nur bemerkte. »Es gehörte deinem Vater, Robert. Und jetzt gehört es dir.«
    »Mir.« Ich war nicht einmal erschrocken. Alles, was seit gestern abend geschehen war, war so irreal und gleichzeitig so entsetzlich wahr , daß ich einfach nicht mehr in der Lage zu sein schien, Schrecken empfinden zu können.
    »Der Mann, der gestern nacht bei uns war«, fuhr Großvater fort. »H. P. Erinnerst du dich an den Namen, den er nannte?«
    Ich nickte. Großvater hatte also unsere kleine Unterhaltung mit angehört, Wort für Wort, genau wie ich vermutet hatte.
    »Robert Craven«, sagte ich.
    »Das war der Name deines Vater.«
    »Meines … Vaters?« antwortete ich überrascht.
    »Aber war er denn nicht «
    »Mein Sohn?« Großvater schüttelte traurig den Kopf. »Nein, Robert, das war er nicht. Ich habe ihn nicht einmal gekannt.«
    Diesmal war ich wirklich schockiert. Wenn Großvater die Wahrheit sagte, dann bedeutete das nicht mehr und nicht weniger, als daß so ziemlich alles, was ich bisher über mich und meine Familie zu wissen geglaubt hatte, falsch war.
    »Dann bist du auch nicht mein Großvater«, sagte ich leise.
    Großvater seufzte. Es klang fast wie ein Schmerzenslaut.
    »Nein«, gestand er. »Wir sind nicht miteinander verwandt, wenn du das meinst. Nicht wirklich.
    Aber das ändert doch nichts oder?«
    »Natürlich nicht«, sagte ich hastig, als ich die plötzliche Angst in seinem Blick bemerkte. Aber ganz sicher war ich nicht.
    »Gut. Ich … ich hätte es dir längst sagen müssen, ich weiß.
    Aber ich konnte es nicht. Ich habe es hundertmal versucht, und hundertmal bin ich gescheitert. Ich wollte es, Robert, und gleichzeitig wollte ich es nicht. Ich wollte dir all dies ersparen.
    Aber so, wie die Dinge liegen …« Er sprach nicht weiter, aber sein Blick wanderte zu der gräßlichen Uhr. »Ich werde dir die ganze Geschichte erzählen«, fuhr er nach einer endlosen Pause fort. »Von Anfang an.«
    »Du mußt es nicht«, sagte ich leise, »wenn du nicht willst.
    Warum lassen wir nicht alles so, wie es war?«

    Ich versuchte zu lachen, aber es mißlang. »Du bleibst mein lieber alter Großvater Mac und ich dein verwöhnter Enkel Robert, der seine Tage mit Nichtstun und Bücherlesen verschwendet.«
    »Ich wollte, ich könnte es«, seufzte Großvater.
    »Aber es geht nicht. Vielleicht habe ich schon zu lange gewartet. Ich … ich habe einfach gehofft, daß uns noch Zeit genug bliebe. Nach meinem Tod hättest du sowieso alles erfahren.«
    »Wieso?«
    »Spätestens bei der Testamentseröffnung«, antwortete Groß-
    vater. »Du hast geglaubt, du wärst mein Erbe, nicht?« Er lächelte auf sonderbare Weise. »Du dachtest, eines Tages würdest du all dies hier erben, dieses Haus, mein Vermögen, die Ländereien in Kent und die Reederei?«
    »Nun«, sagte ich ein wenig verlegen, »ich dachte «
    »Das wirst du nicht«, fuhr Großvater ungerührt fort. »Es gehört dir nämlich schon. Es hat dir immer gehört.«
    »Wie?« machte ich.
    »Mein Barvermögen beläuft sich auf die Summe von drei-undzwanzig Pfund Sterling«, sagte er. »Genau diesen Betrag hatte ich in der Tasche, als ich auf …« Er stockte einen winzigen Moment und verbesserte sich.
    »Als ich damals nach London kam.« Großvater machte eine weit ausholende Geste. »Dies alles hier gehört dir, seit dem Tag deiner Geburt. Es wurde mir nur anvertraut, mehr nicht.«
    »Und wer … bist du wirklich, wenn nicht mein Großvater?«
    fragte ich stockend. Großvater lächelte dünn. »Ein armer Schlucker, Robert«, antwortete er.
    »Eine Null, wir ihr jungen Leute es heute nennen würdet. Ich kam mit nichts in den Taschen hierher, und ich wäre wahrscheinlich in der Gosse geendet, oder mit einem Messer zwischen den Rippen, hätte ich damals nicht einen … einen Fremden getroffen.« Er machte eine Kunstpause, schenkte sich einen neuen Kaffee ein und trank sehr langsam.
    »Ich war ein Abenteurer«, fuhr er

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