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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewohnten Trott zurück und folgte mir wie ein Hund.

    Ich näherte mich dem Arbeitszimmer meines Großvaters, zögerte aber dann doch, die Tür zu öffnen, und ging statt dessen weiter, die nächste Treppe hinunter und in die Küche.
    Das Necronomicon und die Uhr liefen mir nicht davon, und allmählich begann ich die Nachwirkungen der durchwachten Nacht zu spüren.
    Eine Tasse von Marys Kaffee würde meine Lebensgeister sicherlich wieder wecken. Mary Winslove lächelte erfreut, als sie mich sah. Mary war eine Seele von Mensch und so etwas wie der gute Geist von Andara-House. Sie mußte um die fünfzig sein wohlerzogen, wie ich bin, habe ich sie natürlich nie nach ihrem genauen Alter gefragt und wog sicherlich gute zwei Zentner, wirkte dabei aber keineswegs plump, sondern strahlte eine behäbige Gutmütigkeit aus, die jedermann sofort für sie einnahm. Sie hätte glatt meine Mutter sein können, und tatsächlich hatte sie sich früher so um mich gekümmert, als wäre sie es. Selbst jetzt, wo sie mich auf Anweisung meines Großvater und gegen meinen ausdrücklichen Willen nicht mehr Robert, sondern Master oder Sir nannte, behandelte sie mich immer noch ein bißchen wie ein Kind. Aber sie tat es auf eine Weise, die mir nichts ausmachte; ganz im Gegenteil.
    »Guten Abend, Sir«, begrüßte sie mich und trat vom Herd zurück. »Sie sehen aus, als könnten Sie einen Kaffee vertra-gen.«
    »Das kann ich wirklich«, bestätigte ich. Merlin maunzte herzzerreißend, und ich fügte mit einer Kopfbewegung auf ihn hinzu: »Und dieses halbverhungerte Tier braucht dringend ein Stück Fleisch.« Merlin miaute eine Zustimmung und strich schmeichelnd um Marys Beine.
    Mary schmunzelte, schenkte mir einen Kaffee ein und kraulte den Kater zwischen den Ohren. Dann ging sie zum Kühlschrank.
    Aber sie führte die Bewegung nicht zu Ende, denn m diesem Moment kam eines der Mädchen herein, und Marys Gesichtsausdruck verdüsterte sich schlagartig. »Was gibt es denn, Ellen?« fragte sie grob.
    »Ich … ich bin fertig, Mrs. Winslove«, antwortete das Mädchen. Unsicher blickte es in meine Richtung.
    »Haben Sie sonst noch Befehle?«
    Mary schien noch eine ganze Menge Befehle zu haben, erinnerte sich dann aber anscheinend daran, daß sie nicht allein war, und schüttelte den Kopf. »Nein. Sie können gehen. Und morgen sind Sie pünktlich, ist das klar? Wenn Sie sich auch nur um eine Minute verspäten, brauchen Sie gar nicht erst hereinzukommen.«
    Das Mädchen nickte, zog ängstlich den Kopf zwischen die Schultern und floh regelrecht aus der Küche.
    Erstaunt blickte ich Mary an. »Was ist denn los?« fragte ich.
    »Wieso sind Sie so grob mit dem armen Ding?«
    Mary runzelte ärgerlich die Stirn. »Sie hat es verdient«, sagte sie in einem Ton, der gleichzeitig ›Das geht Sie eigentlich gar nichts an‹ bedeutete womit sie nicht ganz unrecht hatte.
    Personalangelegenheiten waren Marys Sache. Trotzdem fuhr sie nach einem Augenblick fort: »Sie ist neu, Sir. Seit zwei Wochen arbeitet sie bei uns, und in diesen zwei Wochen ist sie sage und schreibe fünfmal zu spät gekommen, einmal um fast eine Stunde. Und heute morgen hätte ich sie schon fast entlassen.«
    »Warum?« erkundigte ich mich.
    »Sie hat eine Tasse zerbrochen«, antwortet Mary.
    »Ja, ich weiß, das ist kein Grund, und ich hätte auch kein weiteres Wort darüber verloren, wenn das freche Ding mich nicht auch noch belogen hätte.«
    »Eine … Tasse?« fragte ich. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. »Wie denn?«
    »Sie war die letzte, gestern abend«, antwortete Mary. »Sie wissen ja, ich hatte gestern meinen freien Abend, und ich hatte Ihren Großvater gebeten, mich eher gehen zu lassen. Meine Schwester ist noch immer leidend, müssen Sie wissen, und zweimal die Woche übernachte ich bei ihr, und davor gehe ich immer einholen und «
    »Ich weiß«, unterbrach ich sie. Marys Familiengeschichten sind berüchtigt. Wenn sie einmal anfängt, davon zu erzählen, dann dauert das meistens eine Stunde. »Und?« Mary sah ein bißchen beleidigt aus, zuckte aber nur die Achseln und fuhr fort: »Sie war die letzte im Haus. Ich hatte ihr aufgetragen, das Geschirr aus der Spülmaschine zu nehmen und in die Schränke zu räumen, ehe sie geht. Und dabei hat sie wohl eine Tasse zerbrochen.«
    »Und das ist so schlimm?« fragte ich.
    Mary schüttelte wütend den Kopf. »Natürlich nicht. Aber statt aufzuräumen, hat sie die Scherben einfach unter der Anrichte versteckt, und als ich

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