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Der Erbe der Nacht

Titel: Der Erbe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ich muß … zu ihr.
    Der Degen … die letzte Chance …
    Meine Hände krallen sich in den verkohlten Teppich.
    Ich muß zu ihr, ganz egal, wie.
    Wenn ich es nicht schaffe, wird die Welt untergehen.
    Ich muß es schaffen.
    Der zwölfte Blitz.
    Über mir beginnt das Haus zusammenzubrechen, aber ich bin Priscilla jetzt nahe. Etwas hat mir die Kraft gegeben, mich trotz meines zerschmetterten Rückgrats und meiner brennenden Arme und Beine auf sie zuzuziehen. Ich bin ihr nahe. Noch zwei Yards, einen, einen halben …
    Was ist das? Da, an der Tür? Die Bewegung? Eine Gestalt?
    Ein … Mann?
    Etwas ist mit seinem Haar, mit seinem Gesicht. Großer Gott, sein Gesicht.
    Er ist

    Fast eine Stunde war vergangen, als ich endlich aufhörte zu reden. Meine Kehle war ausgetrocknet und schmerzte vom langen Sprechen die letzten Sätze hatte ich geschrieen , und ich fühlte mich so ausgelaugt und müde, als hätte ich all das wirklich durchgemacht und nicht nur in einer Vision mit angesehen.
    Aber mir war auch, als hätte ich es erlebt, ich meine, nicht als Zeuge oder unbeteiligter Beobachter, sondern ich selbst. Ich konnte im Moment vor Erschöpfung keinen klaren Gedanken fassen, doch ich wußte noch, daß ich mit seltsam fremder, viel dunklerer Stimme gesprochen hatte, und auch die Wahl der Worte war nicht die gewesen, die ich getroffen hätte.
    Auf einen Wink H. P.s hin brachte mir Rowlf etwas zu trinken, aber ich war sogar zu schwach, das Glas zu halten. Hilflos ließ ich es zu, daß er mich wie ein Kind stützte, mit der Linken meinen Kopf hielt und mir mit der anderen eine scharf schmeckende Flüssigkeit einflößte. Es war Cognac. Ich hustete qualvoll, aber das Brennen in meiner Kehle half diesmal; es war alles andere als angenehm oder gar belebend, aber es vertrieb doch ein wenig die lähmende Schwäche, die von mir Besitz ergriffen hatte.
    Mühsam schüttelte ich den Kopf, als er das Glas abermals an meine Lippen halten wollte, setzte mich aus eigener Kraft auf und hielt mich gleich darauf an den Armlehnen meines Stuhls fest, um nicht kopfüber auf den Boden zu purzeln. Ich war schwach wie ein Neugeborenes. Es war, als hätte die Vision das letzte bißchen Kraft aus meinem Körper gesaugt.
    »Alles wieder in Ordnung?« fragte H. P. nach einer Weile.
    Ich hob mühsam den Blick und sah ihn fast feindselig an.
    »Nein«, knurrte ich. »Es ist ganz und gar nichts in Ordnung.

    Was … was war das?«
    H. P. antwortete nicht, aber er tat es auf eine Art, die mich ziemlich deutlich fühlen ließ, wie überflüssig diese Frage war.
    Ich wußte es ja ohnehin: Was ich gesehen hatte was ich miterlebt hatte , war die Nacht der Katastrophe gewesen. Die letzte Nacht meines Vaters.
    Die Nacht, in der die SIEBEN SIEGEL DER MACHT zusammengefügt worden waren.
    »So hat es sich also zugetragen«, murmelte H. P. nach einer Weile. Er starrte mich an, aber irgendwie schien sein Blick geradewegs durch mich hindurchzugehen. »Wir haben uns immer gefragt, wie Priscilla es zuwege gebracht hat, den Kerker zu öffnen, ohne das fehlende siebente Siegel. Jetzt wissen wir es.«
    »Aber wie … wie kann mein Vater «
    »Ein Teil des Siegels gewesen sein?« fügte Gray hinzu, als ich nicht weitersprach. Ich nickte hilflos.
    Der alte Rechtsanwalt lächelte. »Sie dürfen sich dieses Siegel nicht als irgend etwas Materielles vorstellen, Robert«, sagte er.
    »Ihr Vater war ein Magier. Ein … Träger uralter vergessener Mächte. Niemand hier versteht es wirklich, aber Sie … Sie haben es ja selbst erlebt.«
    Wieder breitete sich Schweigen im Raum aus, aber es war ein Schweigen ganz besonderer Art. Ich spürte, daß mich alle anstarrten, und ich glaubte auch zu spüren, daß zumindest H. P.
    und Gray etwas ganz Bestimmtes von mir erwarteten. Ich wußte auch, was.
    Aber ich weigerte mich einfach, es auszusprechen.
    Nach einer Weile stand ich auf, ging zur Bar und mixte mir mit zitternden Fingern einen neuen, diesmal aber alkoholfreien Drink. »Hast du erfahren, was du wissen wolltest?« fragte ich, nachdem ich zurück war.
    H. P. nickte ernst. »Ja. Ich habe es geahnt, seit gestern schon.

    Aber ich mußte Gewißheit haben. Es tut mir leid, wenn es unangenehm für dich war.«
    Unangenehm? Das war schon beinahe eine Unverschämtheit.
    Die Vision war so unbeschreiblich intensiv gewesen. Ich hatte den Tod meines Vater nicht mit angesehen ich hatte ihn am eigenen Leib erfahren. »Jedenfalls wissen wir jetzt, wie es deinem Vater gelang, das endgültige Erwachen

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