Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
wollen doch meine maman fragen. Komm zurück.“
Seine Nerven waren zum Reißen gespannt, als er einen Schritt vortrat und sich dem Pilot in den Weg stellte. „Was war das für ein Zwischenfall in Ouaounde?“
„ Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben.“
„Meine Frau wollte mit dieser Maschine fliegen. Sie ist nicht ausgestiegen.“
„Davon weiß ich nichts.“
Ungehalten versuchte der Pilot, Alain zur Seite zu drängen, der jedoch straffte die Schultern und seine Hände ballten sich zu Fäusten.
„Ich erwarte meine Frau und zwei Freunde. Sie hätten mit dieser Maschine aus Ouaounde kommen müssen. Sagen Sie mir, ob Beate Schenke an Bord war. Adrian Ossmann und Frithjof Peters, waren sie in Ihrem Flugzeug?“
„Das steht auf der Bordliste.“
„Und wo finde ich jemanden mit dieser verdammten Bordliste? Sie ist meine Frau. Ich habe ein Recht, es zu erfahren!“
Er schluckte schwer , als ätzende Übelkeit seine Kehle emporstieg. Wo waren sie jetzt, in diesem Moment? Hatten sie es bis Ouaounde geschafft oder waren sie vorher …
Nein, daran durfte er nicht denken! Bea und die Männer hatten es geschafft, sie waren lediglich aufgehalten worden. Möglicherweise hatten sie unterwegs eine Fahrzeugpanne gehabt. Kannte er nicht aus eigener Erfahrung sowohl den miserablen Zustand der Straßen als auch den der Mietfahrzeuge? Sie hatten den Flieger verpasst, aus welchem Grund auch immer, aber es ging ihnen gut. Er spürte, dass Beate am Leben war und auf ihn wartete.
Alain kniete sich vor das Mädchen, das sich wie eine Katze in einer Ecke der leeren Wartehalle auf dem Boden zusammengerollt hatte und ihre Stoffpuppe fest im Arm hielt, ein Geschenk ihrer Mutter. Das einzige, was sie aus Afrika mitgenommen hatte. Vorsichtig nahm er Cat auf seine Arme und streichelte sanft über ihr rotbraunes Haar. Sie war das letzte Geschenk ihrer Mutter an ihn.
Schlaftrunken kuschelte sich die Kleine an seine Brust und murmelte im Halbschlaf: „Wir müssen maman fragen.“
„Ja, das werden wir ganz bestimmt tun. Wenn sie wieder bei uns ist, werden wir sie fragen, versprochen. Jetzt allerdings musst du schlafen, mein süßer Engel. Es ist schon spät.“
„Ich hatte keine Angst, als du weg warst.“
Sein schlechtes Gewissen und Cats grenzenloses Vertrauen trieben ihm die Tränen in die Augen. Die Worte der Entschuldigung blieben an dem dicken Kloß in seinem Hals stecken.
„Ich wusste, du kommst zurück, Papa. Ich hatte keine Angst. Du lässt mich nicht allein. Gehen wir jetzt zu meiner maman ?“
Tage später lief er i m Krankenhaus einem alten Freund in die Arme, der sich ihm in den Weg stellte. „Es ist gut, dass du gleich hierhergekommen bist, Alain.“
„Wo ist sie?“
„Du kennst sie also wirklich?“
Ungeduld blitzte in Alains beinahe schwarzen Augen , als er sich an seinem Freund vorbei zu drängen versuchte. „Fabien, sie ist meine Frau ! Wie oft soll ich das noch wiederholen?“ Er sprach in dem übertrieben geduldigen Tonfall eines Mannes, der es leid war, immer wieder dieselbe Erklärung abgeben zu müssen. „Also, rede schon, wo ist sie?“
„Warte!“ Der Arzt hielt ihn an der Schulter zurück. „Warte, Junge. Es gibt da noch einiges, das du vorher wissen solltest.“
„Was? Was, Fabien? Sie ist doch … sie … Wie geht es ihr?“
„Den Umständen entsprechend, Alain.“
„Verdammt noch mal!“, explodierte er und krallte seine Fäuste in den Arztkittel seines Freundes. „Drück dich gefälligst deutlich aus, du Idiot! Ich bin keiner deiner Patienten. Ich will die Wahrheit wissen. Wie geht es ihr?“
„ Sie hatte das Glück, von französischen Ärzten behandelt worden zu sein. Trotzdem grenzt es an ein Wunder, dass sie den Flug überlebt hat. Die Kugel hat ihr einen Lungenflügel zerfetzt. Er war nicht mehr zu retten. Sie hat eine Menge Blut verloren und ist völlig entkräftet.“
„Aber sie wird es doch schaffen?“
„Alain, ich bin Arzt, kein Hellseher!“
„Was ist mit den beiden Männern, die bei ihr waren?“
„Zwei? Ich habe bloß einen zu Gesicht bekommen. In der Pathologie. Und der sah nicht sehr gut aus, das kann ich dir versichern. War von Kugeln regelrecht durchsiebt. Zweifellos war er schon tot, noch ehe er auf dem Boden aufschlug. Er hat wohl versucht, die Frau mit seinem Körper zu schützen. Allerdings haben mehrere Geschosse seine Brust durchschlagen, durch die sie dann verletzt wurde. Furchtbar, wirklich.“
Alains Gedanken rasten in derselben
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