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Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Titel: Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Christus aufgerichtet.“
    Er umrundete die vier aufrecht stehenden Steine, wobei er seine Finger voller Ehrfurcht darüber gleiten ließ. „Für mich als Mathematiker und Architekt grenzt es an ein Wunder, wie unsere Altvorderen derartige Bauwerke erschaffen konnten. Der Deckstein wiegt mehr als zwanzig Tonnen, womit er sogar noch zu den Winzlingen gehört. Übrigens entstanden die ersten Dolmen bereits sechshundert Jahre vor der ersten Pyramide.“
    „Beeindruckend “, ätzte Manuel.
    „Nicht wahr? Wir dagegen vergeuden unsere Kräfte in einem ermüdenden Kleinkrieg um Schuldzuweisung und Vertrauen, Pflicht und Ehre, martern unsere Hirne mit solch existentiellen Problemen wie der Frage, ob unsere Gefühle in einer zwischenmenschlichen Beziehung die Oberhand über unseren Verstand erlangen dürfen.“
    Er wirbelte zu Manuel herum und streckte seinen Zeigefinger aus, bis er dessen Brust berührte. Hätte berühren müssen. Noch ehe Manuel auff allen konnte, dass er keinen Druck des Fingers spürte, zog der Franzose seine Hand zurück.
    „ Himmelherrgott, Junge, du lebst jetzt! Worauf wartest du? Genieße das Leben mit all deinen Sinnen. Heute und hier! Es ist viel zu schnell vorbei, glaube mir, denn ich weiß, wovon ich spreche.“
    „ Als hätte ich dem Tod nicht selber schon ins Auge gesehen!“
    „ Und er hat dich nicht haben wollen, wie du inzwischen bemerkt haben dürftest. Irgendetwas hat das Schicksal also noch im Sinn mit dir. Nutze die Zeit, die es dir mit deiner Rettung aus dem Atlantik geschenkt hat. Mach etwas daraus, ehe es die Geduld verliert, weil du dein Leben und deine Chancen ein zweites Mal vergeudest.“
    „Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen, ein Buch schreiben“, zitierte Manuel mit einem zynischen Lachen. „Etwas in der Art?“
    „Und einen Sohn zeugen, ganz Recht.“ Die Gesichtszüge des Franzosen wurden weicher und spiegelten Stolz und Freude wider, als wüsste er mehr als andere. „Guck dir den Dolmen an. Wir wissen nicht, wie die Erbauer dieser Steinmonumente hießen, wir wissen nicht einmal genau, woher sie kamen, aber sie haben uns ein großartiges Zeugnis ihres gemeinsamen Wirkens und Wissens hinterlassen. Das Einzige, was zählt, mein Junge, sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir Abschied nehmen und gehen müssen. Was bleibt von uns, wenn unser Name längst vergessen ist? Was bleibt von dir?“
    „ Und was haben Sie der Welt hinterlassen?“, äffte Manuel den Franzosen nach. „Wenn Sie … falls ich allen Ernstes glauben sollte …“
    „Ich bin Cats Vater. Und ich habe dieser Welt eine wunderbare Tochter geschenkt, findest du nicht?“
    „ Sie haben Alicia für Ihr eigenes Glück verlassen. Warum? Können Sie überhaupt ermessen, was Sie ihr damit angetan haben? Sie hat bis heute nicht verwunden, dass Sie sie einfach alleingelassen haben. Sie leidet noch immer unter furchtbaren Albträumen. Beinahe jede Nacht. Niemand hat ihr erklären können, was mit ihrem Vater passierte, was in ihm vorging. Sie war noch ein Kind! Ein verdammt hilfloses, kleines Kind, welches sich nichts mehr gewünscht hat als einen Vater, der für sie da ist!“
    „Ich hatte stets ein wachsames Auge auf sie. Aus ihr ist eine starke Frau geworden , auf die wir voller Stolz blicken.“
    „W ie können Sie Stolz empfinden, da sie keinerlei Verdienste an ihrer Entwicklung haben? Was sie ist, ist sie allein durch ihre Willenskraft und ihren Mut geworden! Ohne Ihr Zutun!“
    „ Sie wäre nicht das, was sie heute ist, wenn ihre Vergangenheit eine andere gewesen wäre. Ich werde dir eine Geschichte erzählen.“
    „Wie oft denn noch? Ich … hasse … Märchen!“
    „Und doch wirst du mir jetzt zuhören, denn es ist nicht ra tsam, sich mit mir anzulegen.“
    D ie Arme vor der Brust verschränkt, baute sich der Franzose mit arrogantem Grinsen vor ihm auf. Und Manuel wäre am liebsten vor Wut geplatzt.
    „Das solltest du dir für die Zukunft merken , mein Junge.“
    Er ließ sich im Schneidersitz vor dem Dolmen nieder. Behutsam strichen seine langen, eleganten Finger über das zarte Grün des Grases und seine feinen Gesichtszüge nahmen einen kindlich unschuldigen Ausdruck an.
    „Nimm Platz. Geschichten lassen sich nicht zur Eile drängen. Sie entwickeln ihr eigenes Tempo und niemand hat die Macht, einzugreifen oder sie gar zu verändern. Gleichwohl habe ich irgendwann versucht, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen.“
    Sein Blick richtete sich nach innen und seine Stimme

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