Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Titel: Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
sein Glas und räusperte sich. „Mögen all jene, die sich auf ihrem Weg durchs Leben verlaufen haben, sicher nach Hause finden.“ Seine Stimme wurde noch etwas leiser, doch auch rund um den Tisch war es urplötzlich totenstill geworden. „So wie ich. Ich möchte nach Hause und euch deshalb bitten, mir den Weg zu weisen.“
    „ Darauf trinke ich gerne“, flüsterte Susanne und wischte verstohlen unter ihrer Nase entlang. „Genau das war der letzte Wunsch deines Vaters. Und genau wie ihm wird dir dieser Wunsch erfüllt, wenn die Zeit gekommen ist.“
    Alicia wusste nicht recht, was sie von Manuel halten sollte. Auf dem Zauberhügel w ar es ihr nicht schwergefallen, in ihm den verwöhnten, egozentrischen Erben zu erkennen. Nun allerdings, auf den zweiten Blick, entdeckte sie noch anderes. Die tiefen Schatten unter den Augen ließen auf schlaflose Nächte schließen. Der harte Zug um seinen Mund verlieh ihm etwas Zynisches, Abweisendes. In Momenten wie diesen dagegen war in seinen Augen zu lesen, dass er Kummer und Schmerz kannte. Nach Hause . Wie sehr musste über all die Jahre die Sehnsucht nach seiner Familie angewachsen sein, ehe er tatsächlich heimfand.
    Alicia spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog, und atmete tief durch. Sie konnte ihn so gut verstehen.
    D och im Gegensatz zu ihm hatte sie keine Familie, zu der sie zurückkehren würde.
     
    Seit einem dürftigen Frühstück im Flugzeug und Áines Kuchen am Nachmittag hatte Manuel nichts mehr gegessen, aber er verspürte keinen Hunger. Er beobachtete, wie Áine großzügige Portionen eines himmlisch duftenden Eintopfs auf den Tellern verteilte. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als Alicia nach einem Stück Kuchen griff und es auf ihren Teller legte. Unsicher blickte er sich um, niemand nahm allerdings Anstoß an ihrem Tun. Wieder etwas, von dem er keine Ahnung hatte!
    „Seit sie das erste Mal bei uns war, hat sie die Angewohnheit, den Nachtisch stets zuerst zu essen. Sonst bleibt kein Platz mehr für die Süßspeisen, behauptet sie. Und auf die kann sie unter keinen Umständen verzichten“, kam Susanne seiner Frage zuvor.
    Insgeheim vermutete sie dagegen , dass in Alicias Unterbewusstsein noch immer der Befehl aktiv war, stets dann zu essen, wenn etwas zu Essen auf dem Tisch stand. Das Mädchen war in Afrika unter kaum vorstellbaren Verhältnissen aufgewachsen und war oft genug hungrig zu Bett gegangen. Aber auch dieses Wissen um Alicias Vergangenheit behielt Susanne für sich.
    „Lässt sich dein Appetit etwas steigern, wenn ich dir versichere, dass ich dieses Essen nicht zubereitet habe?“, raunte sie Manuel ins Ohr und kicherte spitzbübisch, während sie ihm die Hand auf den Unterarm legte und ihn sanft tätschelte.
    Hastig griff er nach dem Löffel und begann langsam und methodisch zu essen. Unter gesenkten Lidern verfolgte er die Unterhaltung bei Tisch. Die Frauen schnatterten ununterbrochen, bis er sich zu fragen begann, wann überhaupt sie jemals zum Essen kamen. Er hörte sich mit gespieltem Interesse die jüngsten Entwicklungen in dem seit Jahren andauernden Kleinkrieg der Brüder O’Kane an. Die kannte er zwar dem Namen nach, er war sich jedoch nicht sicher, bei welcher Gelegenheit er einst ihre Bekanntschaft gemacht hatte. Hin und wieder nickte er oder brummelte etwas vor sich hin, dem niemand Beachtung schenkte, bis er sich nach einer Weile genötigt sah, seine Aufmerksamkeit Fearghais und Ean zuzuwenden, die sich mit seiner Mutter über die besten Veredelungsmethoden bei Chrysanthemen stritten.
    Nur Alicia schien zu bemerken, dass er irgendwo anders war. In seinen Gedanken verloren. Trostlosen und kummervollen Gedanken. Ihn schweigend inmitten der heftig diskutierenden und ausgelassen lachenden Freunde sitzen zu sehen, machte ihr deutlich, dass sie nie zuvor einem derart einsamen Menschen begegnet war. Dass er bis auf seinen Segenswunsch kein weiteres, konstruktives Wort von sich gegeben hatte, war offenbar keinem sonst aufgefallen, weil es – auch ohne dass er einen Beitrag dazu lieferte – lautstark wie auf einem Jahrmarkt zuging. Alicia wusste, dass, egal wie traurig seine Geschichte sein mochte, diese Einsamkeit ihn umbringen könnte. Sie musste ihm helfen, denn nie wieder wollte sie einen Menschen daran zugrunde gehen sehen.
    „ Mam hat übrigens aus Pitlochry angerufen“, vermeldete Fearghais.
    „Na, endlich!“ Ean atmete erleichtert auf und wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Und? Was sagt sie? Wie

Weitere Kostenlose Bücher