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Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Titel: Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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ein verlassenes, kleines Kind, das aufgegeben hat, um etwas Freundlichkeit und Beachtung zu betteln. Der Ausdruck erschöpfter Traurigkeit auf seinem Gesicht weckte ihr Mitgefühl.
    Sie wandte sich dem Mann an ihrer Seite zu, deutete auf Manue l und sprach so laut, dass er es ebenfalls hören musste: „Ray, darf ich dir Susannes ältesten Sohn vorstellen? Er ist erst heute auf Sean Garraí angekommen. Und bei dem ganzen Trubel haben wir ihn völlig vergessen.“
    Einen Moment taxierten sich die Männer schweigend u nd mit einer gewissen Portion Misstrauen im Blick.
    „Manuel, d as ist Doktor Raymon Gaughan, unser Arzt in Killenymore. Er ist vor ein paar Jahren aus Cork hierher gezogen, sodass du ihn vermutlich nicht kennst.“
    „Doktor Gaughan.“ Manuel reichte ihm mit sichtlichem Widerwillen die Hand. „Es war nett von Ihnen, so schnell zu kommen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“
    „Keine Ursache … Sir“, fügte der Arzt nach einigem Zögern hinzu. „Zu helfen ist mein Beruf. Außerdem war ich gerade in der Nähe, sodass es nicht einmal einen Umweg für mich bedeutet hat.“
    Raymon legte der jungen Frau den Arm um die Taille und obwohl es eine beinahe unbedeutende Geste war, schien sie zu Manuels wachsendem Unmut auf eine tiefe Freundschaft – oder war es gar das Zeichen einer innigen Beziehung? – hinzudeuten. Und dann schaute sie mit einem Ausdruck der Bewunderung und grenzenlosen Dankbarkeit zu dem Arzt auf, dass Manuel am liebsten laut aufgeschrien hätte.
    „Tut mir leid, dass wir dir wieder einmal solche Umstände bereitet haben, Ray. Und das ausgerechnet an deinem einzigen, freien Tag in der Woche. Aber wir haben uns wirklich große Sorgen um Ena gemacht.“
    „Dafür bin ich euer Arzt. Und i ch bin gerne hier, das weißt du, Alicia.“ Seine Stimme war leise und klang so bewegt, wie es nur bei einem rettungslos Verliebten der Fall war. In seinem Gesicht zeichnete sich unverkennbar seine Zuneigung für die Frau ab und Manuel spürte, wie sein Blut in Wallung geriet.
    Mit einem flüchtigen Kuss verabschiedete sie sich von Doktor Gaughan, der überrascht schien von ihrer plötzlichen Eile.
    „Hast du noch Schmerzen in deinem Bein?“, wandte sie sich an Manuel, nachdem Doktor Gaughan in seinen Wagen gestiegen und davongefahren war. „Vielleicht hättest du … Ray hätte es sich zumindest einmal ansehen sollen.“
    „Das ist nichts, was ein einfacher Landarzt wieder in Ordnung bringen könnte“, schnappte er unangebracht heftig.
    Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Was war bloß los mit ihm? Sie klang ehrlich besorgt. Sie war die Einzige, die sich mit ihm abgab, also sollte er sie nicht grundlos anfahren. Lag es daran, weil er es nicht ertrug, einem glücklichen Pärchen beim Küssen zuzusehen? Verlor er jetzt schon die Beherrschung, wenn sich andere Menschen in seiner Gegenwart voll Liebe in die Augen blickten?
    „Hast du etwas gegen den Doktor persönlich oder dagegen, dass sich jemand um dich sorgt?“
    „Hmpf.“
    „Oh, wie ich diese typ isch irischen Antworten liebe!“
    Wenngleich sie sich über ihn lustig macht, wärmte i hr unbekümmertes Lachen sein Herz.
    „Waru m bist du nicht längst ins Haus gegangen, Manuel? Du musst dir nicht hier draußen die Beine in den Bauch stehen, nur weil bisher niemand Zeit für dich gefunden hat und du einigermaßen wütend deswegen erscheinst. Du hast ja selbst mitbekommen, wie es hier zugeht.“ Sie hob bedeutungsvoll die fein geschwungenen Augenbrauen. „Bloß für den Fall, dass du dich nicht mehr erinnerst: Das ist ein Dauerzustand auf Sean Garraí .“
    Mit skeptisch gerunzelter Stirn schaute Alicia zum Himmel empor, an dem sich die Sonne hinter aufgetürmte Wolkenberge zurückgezogen hatte.
    „Es wird bald regnen und es ist ziemlich frisch, also komm endlich.“
    Sie streckte die Hand aus, um ihn am Ärmel zu erwischen, er indes trat einen Schritt zurück, scheinbar ängstlich darum bemüht, jede Berührung zu vermeiden.
    „Was ist? Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sie sich verwundert.
    Er war so angespannt wie eine Bogensehne. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er vor ihr, als wollte er sie nicht an sich herankommen lassen. Argwöhnisch behielt er sie im Auge und verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein.
    „ Du machst zwar momentan nicht den Eindruck, als würdest du mir glauben, dennoch kann ich dir versichern, dass ich fremde Männer im Allgemeinen nicht beiße oder mit unlauteren Absichten über sie

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