Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
herfalle.“
Er blinzelte wie eine schläfrige Eule und unwillkürlich stahl sich ein vergnügtes Ki chern über die Lippen der Frau.
„Du hast den Bogen nicht rausgekriegt , mit nur einem Auge zu zwinkern. Ich erinnere mich … Nun komm schon her, damit ich dir die Apfelkerne aus dem Haar pflücken kann, bevor sie Wurzeln schlagen und du dich für eine neue Frisur entscheiden musst.“
E r hatte ihren Beinahe-Versprecher nicht bemerkt und sie dankte Gott aufrichtig dafür. Er räusperte sich und sie beobachtete, wie ihm eine zarte Röte angesichts seines kindischen Verhaltens den Hals hinauf kroch.
„Wie … wie geht es ihr? Ena?“
„ Och , mach dir keine Sorgen um sie. Sie hat ein ausgesprochen dickes Fell. Und es war beileibe nicht der erste Sturz von diesem unglücksseligen Baum. Mehr als ihren Stolz hat sie sich bei ihrem Rettungsversuch nicht verletzt. Eine kleine Beule, die kaum der Rede wert ist.“ Sie kam ein Stück näher und ihr eindringlicher Blick brannte sich in seine Augen. „Es wäre nicht so glimpflich ausgegangen, wenn du sie nicht aufgefangen hättest. Wir sind dir wirklich sehr dankbar für deine Geistesgegenwart.“
„Sie wäre nicht ge fallen, wenn ich nicht hier aufgekreuzt wäre und ihr Angst gemacht hätte. Es war meine Schuld.“
„Rede nicht so lchen Unsinn. Du bist kein Monster, vor dem Ena Angst bekommen würde. Außerdem hat ihr der Träger eines schwarzen Gürtels gezeigt, wie sie richtig zu fallen hat. Bevor sie das erste Mal auf diesen Baum kletterte. Manuel, niemand käme auf die Idee, dir zu verbieten, hier zu sein. Es ist dein Zuhause.“
„Damien ist anderer Meinung.“
Sie bemerkte eine Erschöpfung in seiner Stimme, als sei er am Ende einer langen Reise angekommen und würde sich nichts als Frieden wünschen. Allerdings war sie genauso davon überzeugt, dass es schwer werden würde, ihm Details über die Ursache zu entlocken, um ihm helfen zu können. Was mochte ihm widerfahren sein, dass er so plötzlich zu Hause auftauchte? Zehn Jahre hatte seine Familie kein Sterbenswörtchen von ihm gehört. Vermutlich hätten sie ihn für tot erklärt, hätte nicht Matthias Clausing seine Beziehungen innerhalb der Reederei spielen lassen, um regelmäßig an Informationen über Manuels Verbleib zu gelangen. Während des letzten Jahres waren die Neuigkeiten indes bloß spärlich geflossen.
N un jedoch stand der verlorene Sohn wirklich und wahrhaftig auf Sean Garraí und niemand hatte damit gerechnet. Nach allem, was sie in der Vergangenheit über ihn und seinen unrühmlichen Abgang bei Nacht und Nebel gehört hatte, musste ihn ein gewaltiges Problem zu diesem Schritt bewogen haben.
„Es ist immer noch der Tisch deiner Mutter, an den du zum Essen gebeten wirst. Wenn das jemandem nicht passt, wird Susanne ihn nicht am Verlassen der Runde hindern.“
„Hat sie das so gesagt?“
Sie hob überrascht den Kopf, als sie die Zweifel hörte, die in seiner Frage mitschwangen. „Ich hatte geglaubt, du würdest deine mam besser kennen. Und jetzt lass sie nicht länger warten.“ Ihre ernsten Augen waren eindringlich auf ihn gerichtet. „Und lauf um Gottes willen nicht gleich wieder davon, bloß weil auch unangenehme Dinge zur Sprache kommen, die dir nicht gefallen werden. Hör ihnen zu und dann versuche, die Vergangenheit zu begraben. Tu es für Susanne. Es gibt nichts auf dieser Welt … kaum etwas, das sie sich mehr wünscht.“
Widerstrebend folgte er der jungen Frau. Er hatte es sich zur Ange wohnheit werden lassen, stets einen Schritt hinter den Leuten zu gehen. Manch einer fühlte sich befangen angesichts seiner körperlichen Beeinträchtigung. Er selbst wusste ja nicht einmal richtig damit umzugehen! Und gerade bei dieser grazilen Frau mit dem makellosen Körper wollte er vermeiden, sie mit der Nase darauf zu stoßen, dass er ein Krüppel war. Sie würde früh genug erfahren, dass er keineswegs der heroische Retter war, der sich bei dem Versuch, Enas Fall zu bremsen, verletzt hatte. Dass er im Gegenteil stets dann versagte, wenn man seiner Hilfe am dringendsten bedurfte.
Dass es überhaupt am besten war, sich nicht mit ihm einzulassen.
5. Kapitel
Das Gesicht des lang aufgeschossenen, rothaarigen Burschen mit dem wirren Lockenkopf verriet Manuel dessen Ablehnung. Besser, er fragte nicht, was er gerade dachte und von ihm hielt. Nannte er ihn ebenfalls einen Mörder oder gab er sich mit der schmeichelhaften Bezeichnung Dickschädel und Misanthrop zufrieden?
Mit
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