Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
bemüht freundlicher Miene trat Manuel auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Noel, nicht wahr? Ich freue mich, dass du unserer Einladung gefolgt bist.“
Heute würde er den Erben von Sean Garraí kennenlernen, hatte sein Vater angekündigt. Sein Vater und Onkel Ean waren mit Lord Mathew aufgewachsen und zeit ihres Lebens mehr seine Freunde als lediglich Angestellte gewesen. Noel wusste nicht nur von den sich hartnäckig haltenden Gerüchten in Killenymore, sondern erinnerte sich vor allem an die Drohungen und Verwünschungen, die sein Onkel gegen den Mörder des früheren Grafen ausgestoßen hatte.
Was er jetzt allerdings so skeptisch beäugte, hatte mehr Ähnlichkeit mit einem verängstigten Kind als mit einem schuldbeladenen, finsteren Unhold. Das sollte der Graf von Sean Garraí sein? Er hätte wahrlich nichts versäumt, wenn er ihm erst am nächsten Tag seine Aufwartung gemacht hätte. Und dafür hatte er sein date mit der kleinen Mary sausenlassen, grummelte er und machte mit seiner abweisenden Haltung und verschlossenen Miene deutlich, dass er ganz und gar nicht damit einverstanden war, hier zu sein.
„Du warst … damals … noch ein kleiner Junge und erinnerst dich vielleicht nicht mehr an mich. Ich habe gehört, du bist ein tüchtiger Tierpfleger und möchtest später einmal Pferdetrainer werden. Ich würde mich sehr freuen, wenn du auch dann noch bei uns arbeitest.“
Noel zuckte gleichmütig mit der Schulter. „Wir werden sehen.“
„Manuel, komm her!“ Susanne erlöste ihn aus dieser unangenehmen Situation und zog ihren Ältesten an der Hand zu sich. „Ich glaube, du kennst Nora und Siobhán noch nicht, unsere beiden Perlen, die unermüdlich für Ordnung und Sauberkeit in diesen Hallen sorgen. Ich habe Nora übrigens gebeten, dein altes Zimmer herzurichten. Wo hast du eigentlich dein Gepäck gelassen? Hattest du nicht einen Koffer in der Hand, als du hier ankamst?“
Seine Mutter! Hektik und Stress, Unpünktlichkeit und Unordnung, kurz: alles Chaos dieser Welt in sich zu vereinen, war ihr erklärtes Lebensmotto. Und dies hatte wahrlich starke Nerven bei ihren Männern erfordert. Oder aber eine überwältigende Liebe, die sein Vater und ebenso Matthias dieser Frau entgegengebracht hatten. Er selber war es als Seemann natürlich gewohnt, auf kleinstem Raum das Nötigste unterzubringen und vor allem wiederzufinden. Nicht so Susanne Tohuwabohu Clausing! Dieses Haus war doch nicht deshalb über die Maßen groß, hatte sie lauthals verkündet, dass irgendeine Notwendigkeit bestand sich einzuschränken. Außerdem lebte genug Volk in diesen Hallen, welches ihr stets bereitwillig beim Suchen half.
Und sich anschließend köstlich über sie und mit ihr amüsierte.
S ie winkte Manuel an das Kopfende der langen Tafel und deutete auf den Stuhl des Familienoberhauptes. Als sie bemerkte, wie sich stummer Protest in ihm regte, kam sie ihm mit gebieterisch ausgestrecktem Zeigefinger zuvor. „Du bist der Älteste, also ist dein Platz genau dieser da und kein anderer.“
Etwas lauter und unbekümmerter f uhr sie fort: „Es kommt nicht oft vor, dass wir uns alle zum gemeinsamen Essen versammeln, heute indes, glaube ich, haben wir einen guten Grund zum Feiern.“
Sie warf Damien einen warnenden Blick zu, der genervt die Augen verdrehte, dann jedoch ergeben die Hände hob und zum Zeichen seiner Unterordnung leicht den Kopf neigte. Die Tischrunde fiel in erwartungsvolle Stille. Manuel fühlte mit einem Schlag die Augen aller auf sich gerichtet. Unbehaglich spähte er zu seiner Mutter, die ihm aufmunternd zulächelte.
„Wir halten es n ach wie vor so, zu jeder gemeinsamen Mahlzeit einen Segen auszubringen“, erklärte sie. „Möchtest du?“
Einen Segen? Die Jahre vor seiner Flucht hatte er i n einem Internat verbracht. Zuletzt war er immer seltener zu seiner Familie gefahren, vorzugsweise dann, wenn er seinen Adoptivvater Matthias Clausing außer Haus wusste. Wo also sollte er jetzt auf die Schnelle einen Segenswunsch hernehmen, da er sich an keinen einzigen erinnern konnte?
„ Tá mé leanta leis an ocras ”, drängte Damien ungehalten und Eans Magen knurrte zustimmend. Dessen Lächeln wirkte geradezu tödlich, sodass Manuel seinen Blick schnell weiterschweifen ließ, bis er an Alicia hängenblieb, die gerade in seiner Nähe Platz nahm und ihm freundlich zunickte. Wenngleich sein Herz vor Freude einen Satz machte, konnte er sich nicht dazu durchringen, ihr Lächeln zu erwidern.
Er hob
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