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Der Erdrutsch (German Edition)

Der Erdrutsch (German Edition)

Titel: Der Erdrutsch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer
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der
Schulter nach draußen schob, spürte dieser seine Unruhe wieder. Er
wollte sich der Berührung entziehen, konnte das aber nicht. Pauls
Hand schien an seiner Schulter zu kleben. Johan blieb kurz stehen, um
die Tür zu öffnen, dabei drehte er sich zu Paul herum. Ihre Blicke
begegneten sich. Noch nie hatte Johan so klare Augen gesehen. Zügig
ging er weiter.

10. Kapitel
    Luise wartete draußen und die drei gingen zur Kirche. Paul blickte
an der Fassade hinauf. Der weiße Turm reckte sich senkrecht nach
oben, der Himmel darüber war mittlerweile dunkel geworden; nur ein
paar Sterne funkelten ihn an. Die braune Holztür, die sich in der
Dunkelheit deutlich von der Fassade absetzte, war schwer und alt. Sie
ließ sich nur mit viel Kraft bewegen und Paul stemmte sich dagegen.
Der Kies unter seinen Füßen knirschte, während die Angeln der Tür
ein unheimlich knarzendes Geräusch von sich gaben.
    „ Was
tust du da?“, fragte Luise.
    „ Ich
gehe in die Kirche.“
    „ Aber
da ist es dunkel.“ Luise linste durch die Tür.
    „ Na
und? Kommt ihr mit?“
    „ Ich
weiß nicht. Dürfen wir das?“ Johan war unsicher und schaute sich
besorgt um.
    „ Natürlich
dürfen wir das nicht. Es ist ja schon dunkel und nachts schläft der
liebe Gott.“ Paul grinste. „Stellt euch nicht so an. Ich geh´ da
jetzt rein.“
    Mit einem Ruck öffnete er die Tür ganz und ging einen Schritt in
die Kirche hinein. Er hielt die Tür mit einer Hand offen. Luise
folgte ihm. Johan kam ihnen zögernd nach. Ganz hinten, da wo der
Altar sein musste, brannte das Ewige Licht, die Bänke waren fast
nicht zu erkennen. Die Kirchenfenster hoben sich nur schemenhaft
gegen die Dunkelheit der Umgebung ab. Paul ging durch den Mittelgang.
Die Bankreihen standen hier etwa eineinhalb Meter voneinander
entfernt und er tastete sich langsam nach vorne. Luise kam direkt
hinter ihm; Johan folgte ihr.
    „ Das
ist unheimlich hier“, flüsterte Luise.
    „ Und
wer weiß, wer sich hier herumtreibt“, flüsterte Paul zurück. „So
mitten in der Nacht“
    „ Du
spinnst ja.“ Luise zwickte ihren Cousin in die Seite.
    „ Klar
doch. Kennst du nicht die Geschichten von den Mördern, die sich in
kleinen Bergkapellen verstecken und dann auf junge Mädchen warten,
um sie erst zu entführen, dann zu vergewaltigen und danach den Berg
hinunter zu werfen?“
    Paul hatte Spaß daran, Luise zu ärgern. Gerade wollte er seine
Geschichte mit ein paar Details ausschmücken, als er eine Bewegung
vor sich wahrnahm. Etwas war durch die Dunkelheit gehuscht. Paul
blieb wie angewurzelt stehen. Luise stand jetzt an seinen Rücken
gedrückt. Sie schob ihn nach vorne.
    „ Da
ist was“, sagte Paul leise.
    „ Wo?“,
fragte sie.
    „ Was
ist los?“, wollte Johan wissen. Da sah Paul die Gestalt am Altar
vorbei eilen. Sie hörten leise Schritte.
    „ Was
ist das?“ Luise wurde unruhig. Hinter ihnen ertönte ein Geräusch
und sie drehten sich um. Sie starrten in die Dunkelheit, dorthin, wo
sich die Tür befinden musste. Und tatsächlich – ein schmaler
hoher Lichtstreifen wurde sichtbar. Das Quietschen sagte ihnen, dass
die Tür geöffnet wurde. Etwas huschte durch den Spalt. Die Tür
fiel mit einem leisen Poltern zu. Dann war es vollkommen still. Die
drei standen regungslos in der dunklen Kirche. Sie wagten nicht zu
atmen. Johan hörte sein Herz schlagen. Luise griff nach seiner Hand.
Paul fand als erster die Sprache wieder.
    „ Er
ist weg“, sagte er.
    „ Und
jetzt?“ Luise löste die Umklammerung von Johans Hand.
    „ Jetzt
gehen wir nach draußen und gucken uns um.“ Paul ging an den beiden
vorbei auf die Tür zu. Er war noch ein gutes Stück von ihr
entfernt, das öffnete sich sich erneut, diesmal mit einem
kreischenden Quietschen. Paul schrak zusammen. Johan stand dicht
hinter ihm.
    „ Ist
da jemand?“
    Eine tiefe Männerstimme. Keiner sprach ein Wort. Die Tür schlug
wieder zu. Sie hörten ein Fluchen. Die Stimme entfernte sich. Als
sie sicher waren, dass draußen niemand mehr auf sie wartete,
schlichen sie zur Tür und zogen sie vorsichtig, Zentimeter für
Zentimeter, auf, immer darauf gefasst, dass doch noch jemand um die
Ecke gebogen kam. Aber da war niemand. Draußen war es ruhig, ein
leichter Wind wehte und trug Musik von einem der Gasthöfe herüber.
Schnell huschten sie an der Kirchenwand entlang und spurteten dann in
Richtung Pension Lechner. Paul war froh, als ihnen die freundlichen
Lichter aus dem Speisesaal entgegenstrahlten, wo ihre Eltern saßen
und sich

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