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Der Erdrutsch (German Edition)

Der Erdrutsch (German Edition)

Titel: Der Erdrutsch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Martin Meyer
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beobachtet hatten. Von ihren Vermutungen
sagte er zunächst nichts.
    „ Können
Sie mir ein bisschen über Elsbeth erzählen?“, versuchte sich Paul
danach als Detektiv.
    „ Was
willst du denn wissen?“, fragte Walter freundlich.
    „ Naja“,
Paul druckste ein bisschen rum. „Wir haben da ein paar
Informationen im Internet gefunden, über eine Entführung …“
    „ Ich
habe schon befürchtet, dass das jetzt noch einmal wieder hochgekocht
wird.“ Walter hatte eine tiefe Falte zwischen den Augen. „Bislang
haben sich die Zeitungen ja zurückgehalten, aber wenn die erstmal
spitzkriegen, wer da ums Leben gekommen ist, dann geht die ganze
Chose wieder von vorne los.“ Er blickte Paul noch einmal skeptisch
an. „Vielleicht kannst du verstehen, dass ich deshalb wissen
wollte, ob du von einer Zeitung kommst. Gut dass Elsbeth das nicht
mehr mitbekommt.“ Walter stand auf und ging unruhig in der Küche
auf und ab.
    „ Wenn
Sie nicht darüber sprechen wollen, dann ist es auch in Ordnung“,
sagte Paul. Er hatte den Eindruck, dass sich Walter in die Ecke
gedrängt fühlte. „Oder Sie melden sich noch einmal bei mir, wenn
Sie sicher sind.“ Paul erhob sich, wollte gerade seine Jacke
greifen, als Walter ihn zurückhielt.
    „ Nein,
es ist schon gut. Ich glaube, es tut mir ganz gut, wenn ich noch
einmal darüber rede.“ Er setzte sich auf den Stuhl, was Paul dazu
bewegte, ebenfalls wieder Platz zu nehmen. „Was weißt du denn
schon?“ Paul berichtete ihm kurz, was er in dem Artikel gelesen
hatte. Walter hörte ihm zu und nickte hin und wieder.
    „ Den
Artikel kenne ich natürlich, wenn ich ihn auch schon seit Jahren
nicht mehr gelesen habe.“ Walter rührte nachdenklich in seinem
Kaffee, schien zu überlegen, was er als erstes erzählen sollte,
lehnte sich dann entspannt zurück. „Ich würde gerne früher
ansetzen, wenn ich dir etwas über Elsbeth erzähle“, begann er.
„Als wir uns kennenlernten, das war in den 70er Jahren, da war sie
unglaublich attraktiv, sie sprühte vor Energie, sie hatte überall
ihre Finger mit drin, hat in allen Töpfen mitgerührt. Die
Friedensbewegung lag ihr besonders am Herzen. Sie engagierte sich
ohne Pause, sie schrieb ununterbrochen an Artikeln. Damals war sie
mitten im Studium. Sie wollte die Welt verändern. In gewisser
Hinsicht hat sie das auch getan.
    Damals haben wir in Hamburg gelebt. Für sie war es eigentlich egal,
wo sie lebte, aber ich hatte Engagements an den Hamburger Theatern.
Als ihr Vater starb, das muss Anfang der 70er gewesen sein, erbte sie
sein gesamtes Geld. Davon konnte sie leben. Außerdem hat sie sich
einen alten Kotten gekauft, da oben, in Pinneberg. Das war immer ihr
Traum. Sie saß dann im Garten und schrieb. Stundenlang, tagelang.
Wir haben geheiratet, weil sie glaubte, nur dann wirklich glücklich
zu sein. Ich fand das auch wundervoll. Wir brauchten die anderen gar
nicht mehr. Deshalb haben wir damals viele der Freundschaften
vernachlässigt. Später musste ich leider feststellen, dass es nicht
so einfach ist, mit Freunden wieder in Kontakt zu treten, wenn man
sich einmal von ihnen abgewendet hat. Selbst die besten Freunde
verlieren irgendwann die Geduld und schreiben dich ab. Wenn du dann
zurückkommst, dann musst du wieder ganz von vorne beginnen, du musst
erstmal beweisen, dass du es wert bist, wieder mit ihnen befreundet
zu sein.
    Naja, in dieser Zeit, als wir uns fast völlig von anderen Menschen
abgeschottet hatten, wurde Elsbeth schwanger. Ich habe nie
nachvollziehen können, was mit einer Frau passiert, wenn sie ein
Kind erwartet. Monatelang musste sie sich schonen, die
Schwangerschaft war wirklich nicht leicht. Elsbeth hat auf fast alles
verzichtet, was ihr wichtig war: Kein Sport mehr, der abendliche
Rotwein fiel weg, all die Demonstrationen und Veranstaltungen, die
damals durch die Presse gingen, waren ihr zu anstrengend. Aber sie
hat immer gute Laune gehabt, hat sich jeden Tag auf das Kind gefreut.
Die Geburt war die Hölle. Sie wollte unbedingt eine Hausgeburt
machen. Die Hebamme hat sie dabei unterstützt. Als sie dann aber
drei Tage in den Wehen lag, ohne dass das Kind kam, da habe ich
irgendwann ein Machtwort gesprochen. Sie konnte einfach nicht mehr.
Da durfte ich sie endlich ins Krankenhaus bringen.
    1981 wurde Dominik also geboren. Wir waren die glücklichsten
Menschen der Welt. Die Leiden der vorangegangenen Monate waren
vergessen. Es gab nichts, was unser Glück trüben konnte. In der
Zeit sind wir zwei- oder dreimal bei

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