Der Erdrutsch (German Edition)
wer du bist“, fuhr sie entschlossen fort.
„ Was
meinst du denn jetzt damit? Wer soll ich denn sein?“ Oskar lachte
kurz auf und setzte sich wieder hin. „Langsam amüsierst du mich.
Wer bin ich also deiner Meinung nach?“
„ Du
warst der Junge, den Elsbeth König entführt hat.“
„ Wie
kommst du denn auf so einen Scheiß?“
Oskar lehnte sich auf der Bank zurück. Seine Arme legte er rechts
und links ausgestreckt auf die Rückenlehne.
„ Das
hat mir deine Mutter erzählt.“
Oskar fuhr auf. Er zuckte zusammen, seine Gesichtszüge verhärteten
sich, der Mund wurde schmal. Langsam erhob er sich von der Bank.
„ Woher
kennst du meine Mutter? Was hast du mit ihr zu schaffen?“
Er trat auf Luise zu. Sie standen nun nur noch wenige Zentimeter
voneinander entfernt.
„ Wir
haben uns unterhalten.“ Sie blickte ihm in die Augen. „Ich kann
dich wirklich gut verstehen. Es muss schlimm sein, zu wissen, dass
diese Frau wieder frei herumläuft, während die eigene Familie
kaputt gegangen ist.“
„ Wovon
sprichst du?“ Dann aber brach die Wut in ihm durch: „Was geht
dich das überhaupt an?“, brüllte er sie an. Luise blieb
unbeeindruckt stehen, nur die Arme verschränkte sie vor der Brust.
„ Was
würde wohl geschehen, wenn ich dich verpfeifen würde? Dann hättest
du ein Problem, oder?“
„ Was
hält dich davon ab, das zu tun?“
„ Ich
weiß nicht genau. Vielleicht will ich erst wissen, was du für ein
Mensch bist.“
„ Du
bist ja völlig durchgeknallt.“
„ Außerdem
hab ich noch was vor dir.“
Sie zog die Kette mit dem Amulett aus ihrer Hosentasche. Als Oskar
sie sah, versuchte er sofort, danach zu greifen, aber damit hatte
Luise gerechnet. Blitzschnell drehte sie sich zur Seite und wich
zurück.
„ Du
Bastard“, schrie Oskar sie an.
Wieder griff er nach der Kette. Da sich Luise umdrehte, erwischte er
nur ihre Haare. Er griff zu, Luise strauchelte. Sie stürzte zu
Boden, seine Hände blieben tief in ihren Haaren vergraben. Oskar
verlor die Nerven. Er brüllte Luise an, während er begann, auf sie
einzuschlagen, wurde aber schon nach dem ersten Schlag unterbrochen.
Es war Paul, der Oskars Arm festhielt. Johan drosch mit einem Ast auf
Oskar ein.
Als Johan Luise entdeckt hatte, war ihm die Situation eigenartig
vorgekommen. Gerade wollte er auf Luise zugehen, um zu sehen, was
zwischen den beiden geschah, da entdeckte er Paul. Der war sofort,
nachdem er die Nachricht von Johan gelesen hatte, in den Park geeilt,
weil er verhindern wollte, dass Johan etwas passierte. Sie schlichen
sich an Luise und Oskar heran. Als die Auseinandersetzung zwischen
den beiden eskalierte, waren sie aus ihrem Versteck herausgestürzt.
Oskar rannte sofort weg.
44. Kapitel
Blass stand Luise vor den beiden. Johan hatte ihr aufgeholfen,
während Paul noch etwa 100 Meter hinter Oskar hergelaufen war. Luise
hatte Tränen in den Augen, die Wangen waren gerötet, grüne feuchte
Grasflecken schimmerten auf ihrer Hose und dem Pulli. Ihre Haare
waren zerzaust. Paul hatte schnell aufgegeben, Oskar zu verfolgen,
was sollte er auch tun, wenn er ihn erwischte? Er hätte ihn zur Rede
stellen, er hätte auf ihn einschlagen können, das hätte aber wohl
nichts an der Situation geändert. Als sie sich versichert hatten,
dass Luise unverletzt war, beeilten sie sich, in die Siedlung zu
kommen. Sie wollten nicht noch einmal auf freiem Feld mit Oskar
zusammentreffen. Da Johan nicht weit entfernt wohnte, gingen sie zu
ihm.
In Johans Zimmer zog sich Luise die verdreckte Hose aus, um sie
notdürftig zu reinigen. Paul saß auf Johans Bett, Johan selbst auf
dem Stuhl am Schreibtisch. Eine Weile war es still. Dann ergriff Paul
das Wort:
„ Luise,
was hast du denn von dem gewollt?“
Zur Antwort schüttelte sie nur stumm den Kopf. Dann fragte er Johan:
„Und du? Was wolltest du von Oskar?“ Aber auch Johan war noch
nicht so weit.
„ Ok,
wenn ihr nichts sagen wollt, dann erzähl ich euch jetzt mal etwas.
Ich habe mich vorhin mit Walter Hochheim getroffen.“ Johan hob den
Kopf und schaute Paul überrascht an. „Der hat mich angerufen, weil
er mir noch etwas erzählen wollte. Da bin ich halt zu ihm gefahren.
Jetzt ratet mal, was er mir erzählt hat!“
„ Na
sag schon, spann uns nicht so auf die Folter!“, forderte Johan ihn
auf.
„ Das
entführte Mädchen war gar kein Mädchen, es war ein Junge und der
hieß Oskar!“ Johan war sprachlos. Luise saß über ihre Hose
gebeugt auf dem Fußboden. Paul wandte sich ihr zu:
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