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Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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stand.
    Ged mußte sich entscheiden. Er konnte den Hügel hinuntergehen in die unfruchtbaren Gefilde und düsteren Städte der Toten oder über die niedere Mauer zurück ins Leben steigen, wo das unförmige, ungeheuerliche Ding auf ihn wartete.
    Der Zauberstab lag schwer in seiner Hand, und er hob ihn hoch. Diese Bewegung brachte Stärke zurück in seine Glieder. Als er sich aufraffte, um über die niedrige Mauer auf den Schatten zuzuspringen, glühte der Stab plötzlich weiß auf, eine blendende Helle an diesem schattenhaften Ort. Er setzte zum Sprung an, fühlte, wie er hinfiel, und die Sinne schwanden ihm.
    Vor Peckvarry, seiner Frau und dem Zauberweib spielte sich folgendes ab: Der junge Zauberer hörte mitten im Zauberspruch zu reden auf und hielt das Kind in seinen Armen, ohne sich zu bewegen. Dann legte er Joheth sachte auf die Matratze zurück, richtete sich hoch auf und stand schweigend, den Stab in der Hand haltend. Plötzlich hob er den Stab in die Höhe, der in weißem Feuer leuchtete, so daß es schien, als halte er den Blitz in der geballten Faust. Die Gegenstände in der Hütte sprangen in diesem momentanen grellen Licht seltsam eindringlich ins Auge. Vorübergehend geblendet, dauerte es eine kurze Weile, bis sie wieder sehen konnten, dann aber erblickten sie den jungen Mann, der vornübergefallen auf dem Boden lag, neben der Matratze, auf der das tote Kind lag.
    Peckvarry schien es, als sei der Zauberer ebenfalls tot. Seine Frau schluchzte, er selbst war ganz verstört. Aber das Zauberweib hatte eine Ahnung von Magie und wußte etwas vom Hinscheiden eines wahren Zauberers. Sie veranlaßte, daß Ged, der kalt und reglos dalag, nicht wie ein Toter behandelt wurde, sondern wie ein Kranker oder wie einer, der sich in einem Trancezustand befindet. Er wurde nach Hause getragen, und eine alte Frau wurde zu ihm gesetzt, die darauf achten mußte, ob er aus dem Schlaf erwachen würde oder nicht.
    Der kleine Otak hatte sich in den Dachbalken des Hauses versteckt, was er immer tat, wenn Fremde eintraten. Dort oben hockte er, während draußen der Regen gegen die Hauswände schlug und drinnen das Feuer langsam erlosch. In den Morgenstunden nickte die alte Frau neben der Feuerstelle ein. Dann kletterte der Otak herunter und rannte lautlos zu Ged, der steif und still auf seinem Bett lag. Er fing an, ihm geduldig und ohne Unterlaß Hände und Handgelenke mit seiner trockenen braunen Zunge zu lecken, und sich neben Geds Kopf hinkauernd, leckte er ihm die Schläfen, die vernarbte Wange und ganz sachte die geschlossenen Augen. Und ganz allmählich, unter der leichten Berührung, regte sich Ged. Er erwachte und wußte nicht, wo er gewesen war und wo er sich befand. Er sah ein schwaches Licht und ahnte nicht, daß es einen neuen Tag verkündete. Der Otak beobachtete Ged, rollte sich daraufhin an seiner Schulter zusammen, wie er es immer tat, und schlief friedlich ein.
    Später, als Ged über die Ereignisse dieser Nacht nachdachte, wurde ihm bewußt, daß er nicht mehr unter den Lebenden weilen würde, wenn ihn nicht jemand berührt und auf irgendeine Weise zurückgerufen hätte, als er, von den Lebensgeistern verlassen, auf seinem Lager gelegen hatte. Nur das blinde, instinktive Wissen eines Tieres, das seinen verletzten Gefährten leckt, um ihm Erleichterung zu verschaffen, hatte ihn zurückgerufen, und Ged spürte in diesem Wissen etwas, das seiner eigenen Macht ähnlich war, etwas, das so tief reichte wie die Zauberkunst. Und seither war er überzeugt, daß der Weise sich nie von anderen lebenden Wesen absondert, ganz gleich, ob sie reden können oder nicht, und in späteren Jahren bemühte er sich oft darum, das zu lernen, was in der Stille von den Augen der Tiere, vom Flug der Vögel und von der langsamen majestätischen Bewegung der Bäume gelernt werden kann. Zum ersten Mal hatte er die Welt der Lebenden verlassen und war unverletzt aus dem Land zurückgekehrt, das nur ein Zauberer mit offenen Augen betreten, was aber selbst der größte Magier nie ohne Gefahr unternehmen kann. Wohl war er unversehrt, aber Trauer und Furcht erwarteten ihn. Trauer erfüllte ihn für seinen Freund Peckvarry und den Verlust, den er erlitten hatte, Furcht hatte er um sich selbst. Jetzt wußte er, warum der Erzmagier ihn nicht wegschicken wollte und warum seine Zukunft dunkel und umwölkt vor den Augen des Magiers gelegen hatte. Die Dunkelheit selbst war es, die auf ihn gewartet hatte, dieses namenlose Ding, dieses Wesen, das nicht von

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