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Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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seinem Kurs die niedrigen blauen Berge einer großen Insel liegen, die im wechselnden Licht der Wintersonne lag. Der blaugraue Rauch zahlreicher Herdfeuer schlängelte sich über die Schieferdächer der kleinen Städte, die zwischen den Hügeln lagen, ein friedlich-fröhliches Bild in der endlosen Eintönigkeit des weiten Meeres.
    Ged folgte einer Fischerflottille in den Hafen, und als er im goldenen Abendlicht die Straßen in die Stadt hinaufstieg, fand er eine Wirtschaft Zum Herreki , wo ein lustig flackerndes Feuer, Bier und geröstete Lammrippchen sein Herz und seinen Körper erwärmten. An den Tischen saßen Reisende, Kaufleute und Händler des Ostbereiches, aber die meisten Männer waren in der Stadt ansässig und kamen hierher, um ihr Bier zu trinken und Neuigkeiten auszutauschen. Sie waren nicht rauh und schüchtern wie die Inselbewohner der Hände, sondern ebenso aufgeweckte wie bedächtige Bürger. Zweifellos hatten sie Ged als einen Zauberer erkannt, aber niemand sprach ihn daraufhin an. Nur der Besitzer erwähnte beiläufig (er redete unaufhörlich), daß diese Stadt, die im übrigen Ismay hieße, unvergleichliches Glück habe, denn sie besitze einen Schatz, den sie allerdings mit den anderen Städten auf der Insel teilen müsse, und zwar habe sie einen wirklich hervorragenden Zauberer, der auf der Insel der Weisen, auf Rok selbst, ausgebildet worden sei und der seinen Stab vom Erzmagier persönlich erhalten habe, der zwar zur Zeit nicht in der Stadt sei, aber sonst hier in Ismay wohne, in einem Haus, das schon lange im Besitz der Familie sei, daß die Stadt also bereits wohlversorgt und für einen, der auch in den Hohen Künsten bewandert sei, nicht der richtige Ort sei. »Wie man so sagt, zwei Stäbe streiten stetig in einer Stadt, hab ich nicht recht?« sagte der Wirt freundlich lächelnd. Jetzt wußte Ged, daß er als wandernder Zauberer, der von Ort zu Ort ziehend sich seinen Unterhalt durch Zaubereien und Kunststücke verdiente, hier nicht erwünscht war. In Vemisch hatte man ihn ziemlich unumwunden abgewiesen, und hier in Ismay ging es ihm nicht viel besser. Er begann an der sprichwörtlichen Gastfreundschaft des Ostbereiches zu zweifeln. Die Insel hieß Iffisch, und Vetsch, sein Freund, war hier geboren. Aber so gastfrei, wie er sie beschrieben hatte, schienen die Einwohner der Insel doch nicht zu sein.
    Als er um sich blickte, mußte er feststellen, daß die Gesichter im allgemeinen freundlich und gutmütig aussahen. Aber sie spürten, was er mit Gewißheit wußte: Er stand abseits von ihnen, er gehörte nicht zu ihnen, Unheil lastete auf ihm, und er folgte einer dunklen Macht. Er war wie ein kalter Wind, der diesen vom Feuer erwärmten Raum abkühlte, er war der schwarze Vogel, den ein Sturm aus fremden Landen hierher verschlagen hatte. Je früher er weiterzog und sein dunkles Schicksal mit sich nahm, desto besser für die Leute hier.
    »Ich bin auf der Suche nach etwas«, sagte er zu dem Wirt. »Ich bleibe nur ein oder zwei Nächte hier.« Seine Stimme klang niedergeschlagen. Der Wirt verstummte und warf einen Blick auf den großen Stab, der in der Ecke des Raumes lehnte. Dann füllte er Geds Glas mit dem braunen Bier, bis der Schaum überlief.
    Ged wußte, daß er nicht länger als eine Nacht in Ismay bleiben konnte. Er war hier nicht willkommen, nirgends war er willkommen. Dorthin mußte er gehen, wohin sein Schicksal ihn trieb. Aber er hatte genug von der kalten, leeren See, von der Stille, in der es keine Stimmen gab, die mit ihm sprachen. Er nahm sich vor, einen Tag auf Ismay zu bleiben, morgen würde er weiterziehen. Er stand nicht sofort auf, als er aufwachte. Draußen schneite es leicht, und er wanderte ziellos durch die Straßen und über die Plätze der Stadt, er sah den Leuten zu, die geschäftig bei der Arbeit waren, er beobachtete Kinder, die in pelzgefütterten Umhängen steckten und Schneeberge und Schneemänner bauten, er hörte, wie die Hausfrauen, unter ihren Türen stehend, sich über die Straße miteinander unterhielten, er sah einem Bronzeschmied zu, der über der Schmelzgrube arbeitete, während ein kleiner Junge, hochrot im Gesicht und schwitzend vor Anstrengung, den Blasebalg bediente. Durch die Fenster, die in der frühen Dämmerung von innen beleuchtet wie rötliches Gold glänzten, sah er Frauen in der Wärme ihrer anheimelnden Stuben an ihren Spinnrocken sitzen, die ab und zu lächelnd einen Blick auf Mann und Kind warfen oder mit ihnen sprachen. All dies sah er,

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