Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer
recht …«
»Aha, du hast das also verstanden? Er ist eifersüchtig. Er pocht auf ältere Privilegien.«
»Und auf größere Künste …«
»Hättest du es lieber, wenn er mich begleiten würde und du hierbliebest?«
»Nein! Ich fürchte nur …«
»Was fürchtest du?«
Tränen traten in die Augen des Jungen. »… daß ich Sie enttäusche«, sagte er.
Der Erzmagier wandte sich wieder gegen das Feuer. »Setz dich hin, Arren«, sagte er sanft, und der Junge kam zum Feuer und setzte sich auf den steinernen Ecksitz beim Kamin. »Ich habe dich nicht als einen Zauberer oder Krieger oder als einen erfahrenen König angeschaut. Wer du wirklich bist, das weiß ich nicht, obwohl ich froh bin, daß du ein Boot segeln kannst … Was aus dir einmal wird, das weiß niemand. Doch eines ist gewiß, du bist der Sohn von Morred und Serriadh.«
Arren schwieg. Dann sagte er: »Das stimmt. Doch …« Der Erzmagier sagte nichts, und er mußte seinen Satz allein zu Ende bringen. »Doch bin ich nicht Morred. Ich bin nur Arren.«
»Bist du nicht stolz auf deine Ahnen?«
»O doch, ich bin stolz darauf – ihnen danke ich es, daß ich ein Prinz bin, es ist eine Verantwortung, derer ich mich würdig zeigen muß.«
Der Erzmagier nickte kurz. »Das meinte ich. Wer die Vergangenheit verneint, der verneint die Zukunft. Kein Mensch schafft sein eigenes Geschick: er bejaht es, oder er verneint es. Wenn die Wurzeln einer Eberesche nicht tief reichen, dann trägt sie keine Krone.« Arren blickte überrascht auf, als er das vernahm, denn sein wahrer Name war Lebannen, der wahre Name der Eberesche, und vor dem Erzmagier hatte er seinen wahren Namen nie ausgesprochen. »Deine Wurzeln reichen tief«, sagte Sperber. »Du bist stark und du brauchst Platz, um zu wachsen. Deswegen biete ich dir anstelle einer sicheren Fahrt zurück nach Enlad eine unsichere an, deren Ende niemand kennt. Du brauchst nicht mitzukommen. Du hast die Wahl. Aber ich biete dir die Wahl an, und ich bin der Sicherheit, der Decken und der Wälder um mich herum satt.« Er brach ab und schaute spähenden Auges umher, doch von den Gegenständen um ihn herum schien er nichts wahrzunehmen. Arren sah die große Rastlosigkeit des Mannes und fühlte Furcht. Doch Furcht steigert das Lebensgefühl, und sein Herz schlug höher. Er antwortete: »Ich habe gewählt, ich gehe mit Ihnen.«
Arren verließ das Großhaus, und sein Herz und seine Sinne waren erfüllt mit all dem Außergewöhnlichen, das sich zugetragen hatte. Er sagte sich, daß er glücklich sei, doch das Wort schien nicht zu passen; er sagte sich, daß ihn der Erzmagier als stark bezeichnet hatte, daß kein gewöhnliches Geschick auf ihn warte, und daß er stolz auf diese Auszeichnung sei, doch er war nicht stolz. Warum nicht? Der mächtigste Zauberer der Welt hatte zu ihm gesagt: »Morgen segeln wir an den Rand des Untergangs«, und er hatte genickt und war gefolgt, sollte er darauf nicht stolz sein? Nein, er war nicht stolz. Staunen erfüllte sein Herz.
Er schritt die steilen, engen Straßen von Thwil hinunter zur Anlegestelle, wo der Kapitän auf ihn wartete, und er sagte zu ihm: »Morgen segle ich mit dem Erzmagier nach Wathort und in den Südbereich. Sag dem Prinzen, meinem Vater, daß ich nach Berile zurückkehre, wenn der Erzmagier mich vom Dienste wieder freigesprochen hat.«
Der Schiffskapitän schaute mißmutig drein. Er konnte sich vorstellen, wie eine derartige Botschaft vom Prinzen in Enlad aufgenommen werden würde. »Ich muß das als Schriftstück vorweisen können, von Ihrer Hand, Prinz«, sagte er. Arren sah ein, daß er recht hatte, eilte in der Stadt umher – er hatte das Gefühl, daß alles sofort erledigt werden mußte – und fand ein merkwürdiges kleines Geschäft, wo er ein Tintenfaß, eine Feder und ein Stück weiches Papier, so dick wie Filz, erstand. Dann lief er zurück zum Hafen und setzte sich auf die Kaimauer, um seinen Eltern zu schreiben. Der Gedanke an seine Mutter, wie sie dieses Papier in Händen halten und die Zeilen lesen würde, erweckte ihm Unbehagen. Sie war eine heitere, nachsichtige Frau, doch Arren wußte, daß er der Fels war, auf der ihr Frieden ruhte, und daß sie auf seine schnelle Rückkehr wartete. Nichts gab es, das sie über diese lange Trennung trösten würde. Sein Brief war kurz und trocken. Er unterschrieb mit der Schwertrune und versiegelte ihn mit einem kleinen Tropfen Pech aus einem Faß, das in der Nähe stand. Er gab das Schreiben dem Kapitän. Dann rief
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