Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu
ihnen anscheinend nicht erzählen, was der Zauberer getan hatte; ein Zauberspruch, meinte sie undeutlich, oder vielleicht hatte er Flinko hinter ihr hergeschickt. Aber als sie auf den König zu sprechen kamen, sprudelten die Worte hervor.
»Und dann war er da – der König! –, wie eine Schwertklinge … Flinko wurde ganz klein und wich vor ihm zurück. Und ich glaubte, es sei Funke! Das glaubte ich tatsächlich einen Augenblick lang, ich war so – so außer mir …«
»Das ist schon in Ordnung«, fand Mala, »weil Shinny dachte, du wärst seine Mutter. Als wir auf den Docks waren und zusahen, wie du in deiner Herrlichkeit in den Hafen gesegelt kamst. Sie hat ihn geküßt! Hat den König geküßt – einfach so. Ich habe geglaubt, daß sie als nächsten den Magier küssen werde. Aber das tat sie nicht.«
»Das kann ich mir denken, was stellst du dir denn vor? Welchen Magier?« fragte Lerche, die den Kopf in einen Schrank steckte. »Wo ist deine Mehlbüchse, Goha?«
»Deine Hand liegt darauf. Ein Magier aus Rok, der einen neuen Obersten Magier sucht.«
»Hier?«
»Warum nicht?« widersprach Mala. »Der letzte war schließlich aus Gont. Aber sie haben nicht lange gesucht. Sobald sie Mutter loswaren, segelten sie stracks nach Havnor.«
»Wie du sprichst.«
»Er hat gesagt, daß er eine Frau sucht«, berichtete Tenar. »›Eine Frau auf Gont.‹ Aber er schien darüber nicht sehr glücklich zu sein.«
»Ein Zauberer, der eine Frau sucht? Das ist wirklich einmal eine Neuigkeit«, meinte Lerche. »Ich hätte angenommen, daß die Getreidekäfer sich inzwischen darübergemacht hätten, aber das Mehl ist vollkommen in Ordnung. Ich werde einen oder zwei Hafermehlkuchen backen, ja? Wo ist das Öl?«
»Ich muß welches aus dem Behälter im Keller zapfen. Ach, Shandy! Da bist du ja! Wie geht es dir? Wie geht es Reinbach? Wie ist es euch ergangen? Habt ihr die Widderlämmer verkauft?«
Beim Abendessen waren sie zu neunt. Im weichen gelben Licht des Abends, an dem langen Bauerntisch in der Küche mit dem Steinboden hob Therru den Kopf ein wenig und sprach ein paarmal mit den anderen Kindern; aber sie duckte sich immer noch, und als es draußen dunkler wurde, saß sie so, daß ihr sehendes Auge das Fenster beobachten konnte.
Erst als Lerche und ihre Kinder in der Dämmerung nach Hause gegangen waren, Mala Therru in Schlaf sang und sie gemeinsam mit Shandy das Geschirr spülte, fragte Tenar nach Ged. Sie hatte es nicht tun wollen, solange Lerche und Mala zuhörten; sie hätte zuviel erklären müssen. Sie hatte vollkommen vergessen zu erwähnen, daß er in Re Albi gewesen war. Sie wollte nicht mehr über Re Albi sprechen. Wenn sie versuchte, daran zu denken, schien sich ihr Geist zu verdunkeln.
»Ist vergangenen Monat ein Mann gekommen, den ich geschickt habe, damit er bei der Arbeit hilft?«
»Das habe ich doch tatsächlich vergessen!« rief Shandy. »Du meinst Falk – den mit den Narben im Gesicht?«
»Ja, Falk.«
»Nun ja, er ist oben auf dem Berg der heißen Quellen, oberhalb von Lissu, mit den Schafen, mit Serrys Schafen, glaube ich. Er kommt her und sagt, daß du ihn geschickt hast, und wir hatten kein bißchen Arbeit für ihn, weißt du, weil Reinbach und ich uns um die Schafe kümmerten und ich die Arbeit im Melkschuppen machte und der alte Tiff und Sis mir halfen, wenn es notwendig war, und ich zerbrach mir den Kopf, aber Reinbach sagt: ›Frag doch Serrys Gehilfen, den Aufseher von Bauer Serry oben bei Kahedanan, ob sie Hirten auf den hohen Weiden brauchen.‹ Und dieser Falk zog los, tat es, wurde aufgenommen und war am nächsten Tag fort. ›Frag Serrys Gehilfen‹, sagte Reinbach zu ihm, und genau das tat er und wurde sofort eingestellt. Er wird sicherlich im Herbst mit den Herden zurückkommen. Oben auf dem Langfell oberhalb von Lissu, auf den hohen Weiden. Vielleicht brauchten sie ihn für die Ziegen. Ein netter Mensch. Ich weiß nicht mehr, ob Schafe oder Ziegen. Hoffentlich ist es dir recht, daß wir ihn nicht hierbehielten, Goha, aber es ist wahr, daß wir kein bißchen Arbeit für ihn hatten, weil ich und Reinbach und der alte Tiff sie verrichteten, und Sis brachte den Flachs ein. Er sagte, daß er dort, woher er kam, Ziegenhirte war, irgendwo auf der anderen Seite des Berges, irgendwo oberhalb von Armund, sagte er, obwohl er sagte, daß er nie Schafe gehütet habe. Vielleicht haben sie ihn mit den Ziegen hinaufgeschickt.«
»Vielleicht«, wiederholte Tenar. Sie war sehr erleichtert und sehr
Weitere Kostenlose Bücher