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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Mißtrauen und den Neid der Hexe überwinden konnte. Obwohl sie Lerche hatte, fehlte ihr die alte Moor; sie hatte von ihr gelernt und liebte sie, und sie hatte ihr und Therru etwas gegeben, das sie brauchten. Sie hoffte, daß sie hier einen Ersatz finden würde. Aber obwohl Eppich wesentlich reinlicher und verläßlicher war als die Alte, hatte sie nicht die Absicht, ihre Abneigung gegen Tenar aufzugeben. Sie behandelte Tenars Freundschaftsangebote mit der Verachtung, die sie, wie Tenar zugab, vielleicht verdienten. ›Du geh deinen Weg, ich gehe meinen‹, erklärte ihr die Hexe auf jede mögliche Weise, nur nicht mit Worten. Tenar gehorchte, obwohl sie Eppich weiterhin betont achtungsvoll behandelte, wenn sie einander trafen. Sie hatte die Hexe zu oft und über zu lange Zeit beleidigt und schuldete ihr eine Wiedergutmachung. Eppich war offensichtlich ebenfalls dieser Meinung und nahm das ihr Zustehende mit steifem Zorn entgegen.
    Um die Herbstmitte kam der Zauberer Bucher in das Tal herauf, weil ihn ein reicher Bauer gerufen hatte, um seine Gicht heilen zu lassen. Bucher blieb wie immer eine Zeitlang in den Dörfern des Mitteltals und verbrachte einen Nachmittag auf dem Eichenhof; er sah nach, wie es Therru ging, und sprach mit Tenar. Er wollte alles erfahren, was sie ihm freiwillig von Ogions letzten Tagen erzählen würde. Er war der Schüler eines Schülers von Ogion und ein ergebener Bewunderer des Magiers von Gont. Tenar stellte fest, daß es ihr leichter fiel, über Ogion als über andere Leute aus Re Albi zu sprechen, und erzählte ihm alles, was sie wußte. Als sie fertig war, fragte er ein bißchen vorsichtig: »Und der Oberste Magier – ist er gekommen?«
    »Ja.«
    Bucher war ein sanft aussehender, etwa vierzigjähriger Mann mit glatter Haut, der ein wenig zur Fülle neigte und dunkle Schatten unter den Augen hatte, die die Sanftheit seines Gesichts Lügen straften; er sah sie an und stellte keine Frage.
    »Er kam nach Ogions Tod. Und ging wieder«, sagte sie. »Er ist nicht mehr Oberster Magier. Habt Ihr das gewußt?«
    Bucher nickte.
    »Habt Ihr vielleicht gehört, ob sie einen neuen Obersten Magier gewählt haben?«
    Der Zauberer schüttelte den Kopf. »Vor nicht allzulanger Zeit kam ein Schiff von den Enladen, aber die Mannschaft sprach nur über die Krönung. Sie waren überwältigt! Es hörte sich an, als seien alle Vorzeichen und Umstände glückbringend gewesen. Wenn das Wohlwollen der Magier wertvoll ist, dann ist unser junger König ein reicher Mann … Und anscheinend aktiv. Kurz bevor ich Thalmund verließ, kam auf dem Landweg von Gonthafen der Befehl an die Edlen, Kaufleute, den Bürgermeister und seinen Rat, eine Zusammenkunft abzuhalten und dafür zu sorgen, daß die Gerichtsbeamten des Bezirks würdige und verantwortungsbewußte Männer sind, denn sie sind jetzt Beamte des Königs, sollen seine Befehle befolgen und seinen Gesetzen Geltung verschaffen. Ihr könnt Euch vorstellen, wie Lord Heno dies begrüßte!« Heno war ein angesehener Schirmherr der Piraten, der die meisten Gerichtsbeamten und Seesheriffs von Süd-Gont in die Tasche gesteckt hatte. »Aber es gab Männer, die bereit waren, sich Heno zu stellen, wenn der König hinter ihnen stand. Sie entließen die ganze Gesellschaft auf der Stelle und ernannten fünfzehn neue Gerichtsbeamte, anständige Männer, die aus der Kasse des Bürgermeisters bezahlt werden. Heno stürmte davon und schwor Vernichtung. Eine neue Zeit bricht an! Natürlich kommt nicht alles auf einmal, aber es kommt. Schade, daß Meister Ogion es nicht mehr erlebt hat.«
    »Er hat es erlebt«, widersprach Tenar. »Als er starb, lächelte er und sagte: ›Alles hat sich verändert …‹«
    Bucher nahm dies in seiner nüchternen Art zur Kenntnis und nickte bedächtig. »Alles hat sich verändert«, wiederholte er.
    Nach einer Weile bemerkte er: »Die Kleine entwickelt sich sehr gut.«
    »Recht gut … Manchmal glaube ich, daß es nicht gut genug ist.«
    »Mistress Goha«, widersprach der Zauberer, »wenn ich oder ein anderer Zauberer oder eine Hexe, oder gar ein Magier sie aufgenommen und in den vielen Monaten, seit sie verletzt wurde, die gesamte Heilkraft der magischen Kunst für sie eingesetzt hätte, ginge es ihr jetzt auch nicht besser. Vielleicht nicht einmal genausogut. Ihr habt alles getan, was getan werden kann, Mistress. Ihr habt ein Wunder bewirkt.«
    Sein ernstes Lob rührte sie und stimmte sie dennoch traurig; sie erklärte ihm, warum. »Es ist nicht

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