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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Mala wandte sich ab und drehte sich dann mit der Lampe in der Hand um. »Königsküsserin.«
    »Verschwinde!« sagte Tenar.
    Mala und ihr Mann behielten Tenar zwei Tage bei sich, aber dann war diese entschlossen, zu ihrem Hof zurückzukehren. Mala begleitete sie und Therru am friedlichen silbernen Kaheda entlang. Der Sommer wurde zum Herbst. Die Sonne schien noch warm, aber der Wind wehte schon kühl. Das Laub der Blätter sah müde und staubig aus, und die Felder waren abgemäht oder wurden gerade abgeerntet.
    Mala erwähnte, um wieviel kräftiger Therru war und wie entschlossen sie jetzt ausschritt.
    »Du hättest sie in Re Albi sehen sollen«, meinte Tenar, »bevor …« Sie unterbrach sich. Sie hatte beschlossen, ihrer Tochter wegen dieser Sache keine Sorgen zu machen.
    »Was ist geschehen?« fragte Mala und war so sichtlich entschlossen, es herauszubekommen, daß Tenar nachgab und leise antwortete: »Einer von ihnen.«
    Therru war aus dem Kleid herausgewachsen, und ihre Beine sahen dadurch länger aus; sie pflückte ein paar Meter vor ihnen im Gehen in den Hecken am Weg Brombeeren.
    »Ihr Vater?« fragte Mala, der bei dem Gedanken übel wurde.
    »Lerche hat gesagt, daß derjenige, der offenbar der Vater ist, sich Hecht nannte. Der andere ist jünger. Er – ist der Mann, der zu Lerche kam, um es ihr zu erzählen. Er heißt Flinko. Er … trieb sich in Re Albi herum. Unglücklicherweise sind wir im Hafen von Gont auf ihn gestoßen. Aber der König schickte ihn fort. Und jetzt bin ich hier, und er ist dort, und alles ist vorbei.«
    »Aber Therru hatte Angst«, bemerkte Mala grimmig.
    Tenar nickte.
    »Warum bist du eigentlich nach Gonthafen gegangen?«
    »Ja, also, dieser Flinko arbeitete für einen Mann – einen Zauberer im Haus des Fürsten von Re Albi, der mich nicht mochte …« Sie versuchte sich an den Gebrauchsnamen des Zauberers zu erinnern, und es gelang ihr nicht; ihr fiel nur das kargische Wort Tuaho für eine Baumart ein, aber sie wußte nicht mehr, um welchen Baum es sich handelte.
    »Und?«
    »Nun ja, und deshalb hielt ich es für besser, nach Hause zu kommen.«
    »Warum mochte dich dieser Zauberer nicht?«
    »Vor allem deshalb, weil ich eine Frau bin.«
    »Bah. Ein alter Hut.«
    »In diesem Fall ein junger Hut.«
    »Noch schlimmer. Also, in dieser Gegend hat niemand, den ich kenne, die Eltern gesehen, wenn man dieses Wort auf sie anwenden kann. Aber falls sie sich noch immer hier herumtreiben, gefällt es mir nicht, daß du im Haus allein bist.«
    Es war angenehm, von einer Tochter bemuttert zu werden und sich seiner Tochter gegenüber wie eine Tochter zu verhalten. »Es wird alles in bester Ordnung sein!« erklärte Tenar ungeduldig.
    »Du könntest dir wenigstens einen Hund zulegen.«
    »Daran habe ich auch gedacht. Vielleicht hat jemand im Dorf einen Welpen. Wir werden Lerche fragen, wenn wir bei ihr hineinschauen.«
    »Keinen Welpen, Mutter. Einen Hund.«
    »Aber einen jungen – mit dem Therru spielen kann«, wandte sie ein.
    »Einen lieben jungen Hund, der die Einbrecher küßt«, sagte die dralle Mala und lachte ihre Mutter an.
    Gegen Mittag erreichten sie das Dorf. Lerche begrüßte Tenar und Therru mit einem Schwall von Umarmungen, Küssen, Fragen und Essen. Lerches ruhiger Ehemann und andere Dorfbewohner kamen herein, um Tenar zu begrüßen. Sie empfand das Glück der Heimkehr.
    Lerche und die beiden jüngsten ihrer sieben Kinder, ein Junge und ein Mädchen, begleiteten sie zum Gehöft. Die Kinder kannten Therru natürlich, seit Lerche sie nach Hause gebracht hatte, und waren an sie gewöhnt, obwohl sie nach der zweimonatigen Trennung zuerst etwas schüchtern waren. Ihnen und sogar Lerche gegenüber blieb Therru zurückhaltend, passiv, wie in den schlechten alten Tagen.
    »Sie ist erschöpft, durch die lange Reise verwirrt. Sie wird darüber hinwegkommen. Sie hat wunderbare Fortschritte gemacht«, erklärte Tenar Lerche, aber Mala ließ sich nicht so leicht abschütteln. »Einer von ihnen ist aufgetaucht und hat sie und Mutter erschreckt«, erzählte sie. Am Nachmittag lockten Tochter und Freundin nach und nach gemeinsam die Geschichte aus Tenar heraus, während sie das kalte, stickige, staubige Haus öffneten, es in Ordnung brachten, das Bettzeug lüfteten, die Köpfe über keimende Zwiebeln schüttelten, einige Lebensmittel in die Speisekammer legten und einen großen Kessel Suppe für das Abendessen auf den Herd stellten. Sie bekamen immer nur einzelne Worte zu hören. Tenar konnte

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