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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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für Myriaden von Menschen von größter Wichtigkeit war, und sie musste es finden. Nur wusste sie nicht, was es war. »Ein Stein, ein Stein«, sagte sie sich immer wieder. Doch als sie den Thron endlich erreichte und hinter ihn kroch, war dort nur Staub. Eulenkot und Staub.
    In dem Alkoven des alten Magierhauses auf dem Oberfell von Gont träumte Ged, er sei Erzmagier. Er unterhielt sich mit seinem Freund Thorion, während sie zusammen durch den Runengang zum Versammlungsraum der Meister der Schule gingen. »Ich hatte jahrelang überhaupt keine Kraft«, sagte er mit ernster Stimme zu Thorion. Der Gebieter lächelte und sagte: »Das war nur ein Traum, musst du wissen.« Aber Ged war beunruhigt wegen der langen schwarzen Schwingen, die er durch den Gang hinter sich her schleifte; er zuckte mit den Schultern, versuchte die Schwingen zu heben, aber sie schleiften hinter ihm her wie leere Säcke. »Hast du Schwingen?«, fragte er Thorion. Der antwortete selbstzufrieden: »O ja!« und zeigte ihm, wie seine Flügel mit vielen kleinen dünnen Schnüren fest an seinen Rücken und seine Beine gebunden waren. »Ich bin gut unterjocht«, sagte er.
    Unter den Bäumen des Immanenten Hains auf der Insel Rok schlief Azver, der Formgeber, wie er es oft im Sommer tat, auf einer offenen Lichtung in der Nähe des östlichen Waldrands, wo er nach oben blicken und die Sterne durch das Laub der Bäume funkeln sehen konnte. Dort war sein Schlaf leicht, transparent, und sein Geist wanderte von Gedanke zu Traum und zurück, geleitet von den Bewegungen der Sterne und Blätter, während sie bei ihrem Tanz die Stellung wechselten. Aber heute Nacht gab es keine Sterne, und die Blätter hingen reglos herab. Er blickte hinauf zum lichtlosen Himmel und sah durch die Wolken. Am hohen schwarzen Himmel standen Sterne: klein, hell und still. Sie bewegten sich nicht. Er wusste, es würde keinen Sonnenaufgang geben ... Da setzte er sich auf, wach jetzt, und starrte in das blasse, sanfte Licht, das immer in den Schneisen zwischen den Bäumen hing. Sein Herz pochte langsam und hart.
    Im Großhaus wälzten sich die jungen Männer im Schlaf und schrien; sie träumten, sie müssten ausziehen, um auf einer staubbedeckten Ebene gegen ein Heer zu kämpfen, aber die Krieger, gegen die sie kämpfen mussten, waren alte Männer, alte Weiber, Kranke und Gebrechliche, weinende Kinder.
    Die Meister von Rok träumten, ein Schiff komme über das Meer zu ihnen gesegelt, schwer beladen, tief im Wasser liegend. Einer träumte, die Ladung des Schiffes bestehe aus schwarzen Felsbrocken. Ein anderer träumte, es trage loderndes Feuer. Ein Dritter träumte, seine Ladung seien Träume.
    Die sieben Meister, die im Großhaus schliefen, erwachten einer nach dem anderen in ihren steinernen Schlafzellen, entfachten ein kleines Werlicht und standen auf. Sie fanden den Pförtner bereits auf den Beinen und an der Tür wartend. »Der König wird kommen«, sagte er mit einem Lächeln. »Bei Tagesanbruch.«
    »Rokkogel«, rief Tosla, vorwärts auf die ferne, blasse, regungslose Woge im Südwesten über den im Dämmerlicht funkelnden Wellen spähend. Lebannen, der neben ihm stand, sagte nichts. Die Wolkendecke hatte sich aufgelöst, und der Himmel spannte seine reine, ungefärbte Kuppel über den großen Kreis der Wasser.
    Der Schiffer gesellte sich zu ihnen. »Ein schönes Morgengrauen«, sagte er leise in die Stille hinein.
    Der Osten erhellte sich zu einem satten Gelb. Lebannen warf einen Blick nach achtern. Zwei der Frauen waren auf und standen an der Reling vor ihrer Kajüte; groß gewachsene, barfüßige Frauen, die schweigend nach Osten blickten.
    Die Kuppe des runden grünen Hügels fing als erste das Sonnenlicht ein. Es war bereits helllichter Tag, als sie zwischen den Landzungen der Bucht von Thwil hindurchsegelten. Alle waren an Deck gekommen und schauten. Aber sie sprachen immer noch wenig und wenn, dann leise.
    Der Wind legte sich schlagartig im Hafenbecken. Es war so windstill, dass sich die kleine Stadt, die sich oberhalb der Bucht erhob, und die Mauern des Großhauses, das sich oberhalb der Stadt erhob, im Wasser spiegelten. Das Schiff wurde immer langsamer; nicht mehr lange, und es würde stehen bleiben.
    Lebannen schaute erst zum Schiffer, dann zu Onyx. Der Schiffer nickte. Der Zauberer erhob die Hände langsam zu einer magischen Geste und murmelte leise ein Wort.
    Das Schiff glitt langsam weiter und wurde nicht langsamer, bis es sich längsseits des längsten der Kais

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