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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Taxifahrer herausgeben ließ. Er wurde nicht geizig, er war es schon immer gewesen.
    Harry trat in die traurig tropfende Bergen-Gonorrhö, die, wie es heißt, an irgendeinem Nachmittag im September ihren Anfang nimmt und an einem anderen Nachmittag im März wieder endet. Er ging die paar Schritte zum Eingang des Café Børs, blieb drinnen stehen und ließ seinen Blick durchs Lokal schweifen. Er fragte sich, was das neue Nichtrauchergesetz, das bald kommen sollte, aus Orten wie diesem machen würde. Harry war schon zweimal im Café Børs gewesen, einem Ort, an dem er sich instinktiv zu Hause fühlte und doch außen vor stand. Die Kellner schwirrten in ihren roten Jacken herum, und wenn man nach ihren Mienen urteilte, konnte man meinen, man befände sich in einem Restaurant der Oberklasse. Dabei servierten sie ihre Bierkrüge und trockenen Witzedoch nur ihren Stammgästen, den pensionierten Fischern, Küstenbewohnern, ehemaligen Marinesoldaten und all den anderen, die ihr Leben auf See verbracht hatten. Als Harry das erste Mal im Børs gewesen war, hatte ein Expromi mit einem Fischer zwischen den Tischen Tango getanzt, während eine ältere, fein gekleidete Frau zur Quetschkommode deutsche Schlager gesungen und in den Instrumentalphasen die heftigsten Obszönitäten von sich gegeben hatte.
    Unterdessen hatte Harrys Blick gefunden, wonach er Ausschau gehalten hatte, und er steuerte den Tisch an, an dem ein großer, dünner Mann vor einem fast leeren Bierglas hockte.
    »Chef.«
    Der Kopf des Mannes hob sich beim Klang von Harrys Stimme. Die Augen folgten mit leichter Verzögerung. Hinter dem Schleier des Rausches zogen sich die Pupillen zusammen.
    »Harry. « Die Stimme war überraschend klar und deutlich. Harry holte sich einen freien Stuhl vom Nachbartisch. »Auf der Durchreise?«, fragte Bjarne Møller.
    »Ja.«
    »Wie hast du mich gefunden?«
    Harry antwortete nicht. Er war darauf vorbereitet gewesen, trotzdem konnte er kaum glauben, was er sah.
    »Dann reden sie also auf der Dienststelle? Ja, ja. « Møller nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. »Merkwürdiger Rollentausch, nicht wahr? Normalerweise war ich in Situationen wie dieser immer auf der Suche nach dir. Ein Bier?«
    Harry beugte sich über den Tisch: »Was ist passiert, Chef?« »Harry, was soll schon passiert sein, wenn ein erwachsener Mann mitten in der Arbeitszeit säuft?«
    »Entweder man hat ihm gekündigt oder er ist von seiner Frau verlassen worden.«
    »Noch bin ich nicht entlassen worden. Soweit ich weiß.« Møller lachte tonlos. Seine Schultern zitterten, aber es kam kein Laut.
    »Hat dich Kari « Harry hielt inne, wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte.
    »Sie und die Kinder sind nicht nachgekommen. Das ist in Ordnung. Das war vorher so besprochen.«
    »Was?«
    »Ich vermisse die Jungen, das ist klar. Aber ich komme zurecht. Das ist nur diese … wie nennt man das … Übergangsphase? Genau, aber es gibt bestimmt noch ein besseres Wort dafür. Trans nein, ich weiß nicht.«
    Bjarne Møllers Kopf war wieder über sein Bierglas gesackt.
    »Komm, wir machen einen Spaziergang«, sagte Harry und gab der Bedienung ein Zeichen, die Rechnung zu bringen.
    Fünfundzwanzig Minuten später standen Harry und Bjarne Møller noch immer im gleichen Regenschauer am Geländer des Aussichtspunktes auf dem Berg mit dem Namen Fløien und sahen hinunter auf etwas, das vielleicht Bergen war. Ein Zug, der aussah wie ein Kuchenstück und von mächtigen Zahnrädern angetrieben wurde, hatte sie vom Zentrum hier hochbefördert.
    »Hast du dich deshalb hierher versetzen lassen?«, fragte Harry. »Weil du und Kari ..., weil ihr euch trennen wolltet?«
    »Es regnet hier wirklich so viel, wie gesagt wird.«
    Harry seufzte. »Das Trinken hilft doch nicht, Chef. Dadurch wird alles nur noch schlimmer.«
    »Das ist mein Text, Harry. Wie läuft’s mit dir und Gunnar Hagen?«
    »Tja. Er ist ein guter Dozent.«
    »Pass auf! Unterschätz ihn nicht, Harry. Der hält mehr als nur Vorlesungen. Gunnar Hagen war sieben Jahre beim FSK.«
    »Beim Sondereinsatzkommando des Militärs?«, fragte Harry überrascht.
    »Aber sicher. Das habe ich gerade vom Kriminalchef erfahren. Hagen wurde 1981 abkommandiert, gleich nach der Gründung des FSK. Die hatten damals die Aufgabe, die Ölplattformen in der Nordsee zu sichern. Und da dieser Dienst geheim ist, stand davon nie etwas in seinem Lebenslauf.«
    »FSK«, sagte Harry und spürte, wie der eiskalte Regen langsam durch die Schulterpartie

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