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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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worden. Die Öffnung ist eng, und von hier aus sieht es aus, als sei die rechte Schulter ausgekugelt. Das kann beim Reinpressen passiert sein, oder als sie im Schacht hängen geblieben ist. Das ist bei diesem Winkel schwer zu entscheiden, aber es kommt mir so vor, als hätte sie blaue Flecken am Hals, was darauf hindeuten würde, dass sie erwürgt worden ist. Die Gerichtsmedizin wird sich die Schulter angucken und die Todesursache feststellen. Ansonsten können wir hier im Moment nicht viel machen. Bitte, Gilberg. «
    Beate trat zur Seite, und ihr Kollege blitzte ein paarmal in den Schacht hinein.
    »Was ist dieses Gelblichweiße in der Augenhöhle?«, fragte er.
    »Fett«, antwortete Beate. »Räumen Sie hier den Container aus und sehen Sie nach, ob Sie etwas finden, was der Toten oder dem Täter gehören könnte. Anschließend werden Ihnen die Beamten draußen helfen, die Leiche runterzubekommen. Margaret, du kommst mit mir. «
    Sie traten auf den Kellerflur, und Margaret ging zum Fahrstuhl und drückte den Knopf.
    »Wir nehmen die Treppe«, sagte Beate leichthin. Margaret sah sie überrascht an, folgte dann aber den beiden älteren Kollegen.
    »Gleich kommen noch drei von meinen Leuten«, sagte Beate als Antwort auf Harrys unausgesprochene Frage. Obwohl Harry zwei Stufen auf einmal nahm, hielt die kleine Frau problemlos mit. »Zeugen?«
    »Bis jetzt nicht«, sagte Harry. »Aber wir machen jetzt die Runde. Drei Beamte klingeln gerade bei allen Wohnungen des Hauses. Und danach machen sie in der Nachbarschaft weiter.«
    »Haben sie die Bilder von Stankic dabei?«
    Harry musterte sie, um zu sehen, ob sie es ironisch meinte. Schwer zu sagen.
    »Was war dein erster Eindruck?«, fragte Harry.
    »Ein Mann«, sagte Beate.
    »Weil der Betreffende stark genug gewesen sein muss, um sie durch die Schachtluke zu bugsieren?«
    »Vielleicht.«
    »Sonst noch was? «
    »Harry, gibt es irgendeinen Zweifel, wer das da gemacht hat?«, fragte sie seufzend.
    »Ja, Beate, den gibt es. Den müssen wir schon aus Prinzip haben, bis wir sicher sind.«
    Harry drehte sich zu Margaret um, die hinter ihnen bereits außer Atem war. »Und Ihr erster Eindruck?«
    »Was?«
    Sie bogen um die Ecke des Flures im dritten Stock. Ein korpulenter Mann mit Tweedanzug und offenem Tweedmantel stand vor Jon Karlsens Wohnung. Er schien auf sie zu warten.
    »Ich möchte wissen, was Sie gefühlt haben, als Sie hier in die Wohnung kamen«, sagte Harry, »und als Sie in den Schacht geguckt haben.«
    »Gefühlt?«, fragte Margaret mit leicht verwirrtem Lächeln.
    »Ja, gefühlt!«, polterte Ståle Aune und streckte seine Hand aus, die Harry sofort ergriff. »Passt auf und spitzt eure Ohren, Leute, denn jetzt kommt das berühmte Hole’sche Evangelium. Ehe du an einen Tatort kommst, sollst du deinen Kopf von allen Gedanken befreien, zu einem sprachlosen, neugeborenen Kind werden und dich öffnen für den heiligen, ersten Eindruck, die wichtigen ersten Sekunden, die deine große und einzige Chance sind, zu sehen, was geschehen ist, bevor du dich im Wirrwarr der Fakten verstrickst. Hört sich fast an wie eine Geisterbeschwörung, nicht? Hübscher Anzug, Beate. Und wer ist deine charmante Kollegin?«
    »Das ist Margaret Svendsen. «
    »Ståle Aune«, sagte der Mann, ergriff Margarets behandschuhte Hand und küsste sie. »Aber, meine Liebe, Sie schmecken ja nach Gummi!«
    »Aune ist Psychologe«, sagte Beate. »Er unterstützt uns öfter bei unseren Ermittlungen.«
    »Er versucht uns bei unseren Ermittlungen zu unterstützen«, korrigierte Aune. »Die Psychologie ist leider eine Wissenschaft, die noch immer in kurzen Hosen herumläuft und wohl erst in fünfzig oder hundert Jahren zu wirklich aussagekräftigen Ergebnissen kommen wird. Und, meine Liebe, wie lautet Ihre Antwort auf Hauptkommissar Holes Frage?«
    Margarets Blick suchte Hilfe bei Beate.
    »Ich ich weiß nicht«, sagte sie. »Das mit dem Auge war natürlich ganz schön eklig.«
    Harry schloss die Tür auf.
    »Du weißt, dass ich kein Blut sehen kann«, warnte Aune.
    »Stell dir vor, es wäre ein Glasauge«, sagte Harry, öffnete und trat einen Schritt zur Seite. » Geh über das Plastik und fass nichts an. «
    Aune ging vorsichtig über die Bahn aus schwarzem Plastik, die quer über den Boden verlief. Er ging in die Hocke neben dem Auge, das noch immer im Staubhaufen neben dem Staubsauger lag, jetzt aber einen leichten Grauschimmer hatte.
    »Das nennt man wohl Enukleation«, sagte Harry.
    Aune zog die

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