Der Erl�ser
knackten, als er in den Container stieg und unter die kreisrunde Öffnung in der Kellerdecke trat. Er blickte nach oben, sah aber nur schwarzes Dunkel. Dann schob er die Stahlstange hinein. Er erwartete den gewohnten weichen Widerstand von Müllsäcken, doch dieses Mal stieß die Stange gegen etwas Hartes. Er drückte fester. Es bewegte sich nicht, da hatte sich irgendetwas wirklich ordentlich verkeilt.
Er nahm die Taschenlampe, die an seinem Gürtel hing, und richtete den Lichtstrahl in den Schacht. Ein Tropfen traf sein Brillenglas, und er fluchte, weil er nichts mehr sah. Er riss sich die Brille vom Kopf und wischte sie an seinem Blaumann ab, wobei er sich die Taschenlampe unter den Arm klemmte. Dann trat er etwas zur Seite und starrte kurzsichtig wieder nach oben. Stutzte und streckte die Taschenlampe nach oben, während seine Fantasie zu arbeiten begann. Starrte, während sein Herz immer zögerlicher zu schlagen schien.
Ungläubig setzte er seine Brille wieder auf. Dann blieb sein Herz stehen.
Die Stahlstange kratzte an der Wand entlang, ehe sie klirrend auf den Boden fiel. Sverre Hasvold bemerkte, dass er sich in den Container gesetzt hatte und seine Taschenlampe irgendwo zwischen den Müllsäcken verschwunden war. Wieder klatschte ein Tropfen auf den Müllsack zwischen seinen Beinen. Er fuhr zurück, als wäre es ätzende Säure. Dann kam er auf die Beine und stürzte nach draußen.
Er brauchte frische Luft. Zwar hatte er auf dem Meer schon so einiges gesehen, aber das hier übertraf alles, das war … nicht normal. Dafür musste man krank sein. Er schob die Haustür auf und taumelte nach draußen auf den Bürgersteig, ohne die beiden hochgewachsenen Männer zu bemerken, die dort standen, oder die Kälte, die ihm entgegenschlug. Er lehnte sich an die Wand, schwindelig und atemlos, und nahm das Handy heraus. Starrte hilflos darauf. Vor ein paar Jahren hatten sie die Nummer des Notrufs geändert, damit man sie sich leichter merken konnte, aber ihm fiel natürlich nur die alte ein. Erst jetzt bemerkte er die beiden, die dort standen. Einer von ihnen telefonierte mit einem Handy, in dem anderen erkannte er einen der Hausbewohner.
»Entschuldigen Sie, wissen Sie, wie man die Polizei anruft?«, fragte Hasvold und hörte, dass seine Stimme heiser klang, als hätte er zu viel geschrien.
Der Blick des Mieters zuckte zu seinem Nebenmann, der den Hausmeister kurz musterte, ehe er ins Telefon sagte:
»Warte, unter Umständen brauchen wir Ivan und die Suchhunde nicht mehr.« Der Mann ließ das Handy sinken und wandte sich an Sverre Hasvold:
»Ich bin Hauptkommissar Hole von der Osloer Polizei. Lassen Sie mich raten «
*
In einer Wohnung im Westen von Oslo blickte Tore Bjørgen aus dem Schlafzimmerfenster in den Hinterhof. Draußen war es ebenso still wie drinnen, nicht einmal ein Kind rannte kreischend durch den Schnee. Es war wohl zu kalt und zu dunkel. Und außerdem war es Jahre her, dass er Kinder im Winter hatte spielen sehen. Aus dem Wohnzimmer hörte er den Nachrichtensprecher verkünden, dass neue Kälterekorde bevorstanden und das Sozialministerium weitere Maßnahmen ergreifen wolle, um Unterkünfte für Penner und Obdachlose einzurichten und einsame alte Menschen dazu zu bewegen, ihre Heizkörper aufzudrehen. Und dass die Polizei nach einem kroatischen Staatsbürger mit Namen Christo Stankic fahndete, für dessen Ergreifung eine Belohnung ausgesetzt sei. Sie nannten keinen Betrag, aber Tore Bjørgen ging davon aus, dass es für ein Ticket nach Kapstadt und einen dreiwöchigen Aufenthalt reichen dürfte.
Er wischte sich die Nase ab und rieb sich die Reste des Kokains auf das Zahnfleisch. Damit wurde er auch den Pizzageschmack los, den er immer noch im Mund hatte.
Er hatte seinem Chef im Biscuit gesagt, dass er Kopfschmerzen habe, und war früher gegangen. Christo – oder Mike, wie er sich genannt hatte – wartete wie vereinbart auf einer Bank am Vestkanttorget auf ihn. Er hatte die Grandiosa-Fertigpizza ganz offensichtlich gemocht und verschlungen, ohne etwas von den 15 Milligramm Stesolid zu bemerken, die Tore Bjørgen zermahlen hinzugefügt hatte.
Er sah zu dem schlafenden Christo hinüber, der nackt auf demBauch im Bett lag und dessen Atem trotz des Knebels, den er im Mund hatte, gleichmäßig und tief ging. Er war überhaupt nicht aufgewacht, als Tore sein kleines Arrangement vorgenommen hatte. Die Beruhigungspillen hatte er auf der Straße vor dem Biscuit bei einem wahnsinnig nervösen
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