Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
Vom Netzwerk:
Augenbrauen hoch. »Vorgenommen mit einem Staubsauger, der aufs Auge gepresst wurde?«
    »Es dürfte kaum funktionieren, ein Auge mit einem Staubsauger aus dem Kopf zu holen«, sagte Harry. »Der Täter muss es so weit herausgesaugt haben, dass er mit den Fingern dahinter kommen konnte. Muskeln und Sehnerv sind ziemlich solide Geschichten.«
    »Was du alles weißt, Harry. «
    »Ich habe einmal eine Frau verhaftet, die ihr Kind in der Badewanne ertränkt hatte. In der Untersuchungshaft hat sie sich selbst ein Auge ausgerissen. Der Arzt hat mich damals etwas in die Technik eingeweiht.«
    Hinter sich hörten sie Margaret nach Luft schnappen.
    »Die Entfernung eines Auges ist an sich aber noch nicht tödlich«, sagte Harry. »Beate ist der Meinung, die Frau sei erwürgt worden. Was ist dein erster Gedanke?«
    »Das ist eindeutig die Tat eines Menschen, der gefühlsmäßig oder verstandesmäßig völlig aus dem Gleichgewicht ist«, sagte Aune.
    »Diese Verstümmelung spricht von unkontrollierter Wut. Es kann natürlich rein praktische Beweggründe haben, dass der Täter die Leiche auf den Müll geworfen hat «
    »Wohl kaum«, sagte Harry. »Wenn die Leiche nicht gefunden werden sollte, hätte er sie einfach in der leeren Wohnung liegen lassen können.«
    »In solchen Fällen ist das dann eine mehr oder minder bewusste Symbolhandlung.«
    »Hm. Das Auge zu entfernen und den Rest auf den Müll zu schmeißen?«
    »Ja.«
    Harry sah zu Beate. »Das hört sich aber nicht nach einem professionellen Täter an«, sagte er.
    Aune zuckte mit den Schultern: »Man könnte sich vorstellen, dass es sich um einen wütenden professionellen Täter handelt.«
    »Die Profis haben in der Regel eine Methode, der sie vertrauen. Christo Stankic hat seine Opfer bisher erschossen.«
    »Vielleicht hat er ein größeres Repertoire«, sagte Beate. »Oder das Opfer hat ihn überrascht, als er in der Wohnung war. «
    »Vielleicht wollte er nicht schießen, weil das die Nachbarn aufgescheucht hätte«, schlug Margaret vor.
    Die drei anderen wandten sich ihr zu.
    Sie lächelte verschüchtert: »Ich meine … vielleicht brauchte er in der Wohnung Zeit und Ruhe. Vielleicht hat er nach etwas gesucht.«
    Harry bemerkte, dass Beate plötzlich heftig durch die Nase atmete und noch blasser geworden war als normal. »Wie hört sich das alles an?«, fragte er, an Aune gewandt.
    »Wie Psychologie«, antwortete Aune. »Viele Fragen. Und als Antworten nur Hypothesen.«
    Als sie wieder draußen waren, fragte Harry Beate, ob alles in Ordnung sei.
    »Mir ist nur ein bisschen übel geworden«, sagte sie.
    »Ach? Ich verbiete dir, jetzt krank zu werden. Ist das klar?« Sie antwortete mit einem kryptischen Lächeln.
     
    *
     
    Er wachte auf, öffnete die Augen und sah das Licht auf der weiß gestrichenen Tapete über sich flackern. Schmerzen loderten in seinem Körper und in seinem Kopf. Ihm war kalt. Er hatte etwas im Mund. Und als er sich zu bewegen versuchte, spürte er, dass seine Hände und Füße gefesselt waren. Er hob den Kopf. Im Spiegel am Fußende des Bettes sah er sich selbst im Licht der Kerzen. Nackt. Und er hatte etwas auf dem Kopf, etwas Schwarzes, das beinahe wie ein Zaumzeug aussah. Einer der Riemen lief quer über sein Gesicht, über die Lippen, die einen schwarzen Ball festhielten, der seinen Mund blockierte. Seine Hände waren mit Handschellen gefesselt, die Füße mit etwas Schwarzem, Manschettenartigem. Er starrte in den Spiegel. Auf dem Laken zwischen seinen Beinen lag das Ende einer Schnur, die zwischen seinen Pobacken verschwand. Und er hatte etwas Weißes auf dem Bauch. Es sah aus wie Sperma. Er ließ den Kopf aufs Kissen zurücksinken und schloss die Augen.
    Er wollte schreien, wusste aber, dass der Knebel alle diesbezüglichen Versuche effektiv unterbinden würde.
    Dann hörte er eine Stimme aus dem Wohnzimmer.
    »Hallo? Polizei?«
    Polizei? Police?
    Er bäumte sich im Bett auf, zerrte an seinen Fesseln und wand sich vor Schmerz, als sich die Handschellen so tief in den Daumen schnitten, dass seine Haut platzte. Doch indem er die Hände nach innen drehte, bekam er die Kette zu fassen. Handschellen. Armierungseisen. Sein Vater hatte ihn gelehrt, dass Baumaterial meistens so konzipiert war, dass es nur der Belastung aus einer ganz bestimmten Richtung standhielt. Die Kunst des Eisendrehens bestehe darin, zu wissen, wo und in welcher Richtung es den geringsten Widerstand leistet. Die Kette zwischen den beiden Fesseln sollte dafür sorgen, dass man

Weitere Kostenlose Bücher