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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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überdimensioniert wirkte, brachte sie in die Stadt. Erst kamen sie am Bahnhof vorbei und dann an einem großen, menschenleeren Park mit einem riesigen Glaspavillon.Nackte Bäume streckten ihre winterschwarzen Finger in den Himmel.
    »Hotel International«, sagte der Taxifahrer und hielt vor einem grauen, imposanten Koloss aus Stein. Eines dieser Gebäude, wie man sie im Ostblock früher für die reisende Oberschicht gebaut hatte.
    Harry bezahlte. Ein Portier in Admiralsuniform hatte bereits die Wagentür geöffnet und stand mit Schirm und breitem Lächeln bereit: » Welcome, Sir. This way, Sir. «
    Harry trat auf den Bürgersteig, als zwei Hotelgäste durch die Schwingtür kamen und in einen Mercedes stiegen, der gerade vorgefahren war. Hinter den Schwingtüren funkelte ein kristallener Kronleuchter. Harry blieb stehen: »Refugees?«
    »Sorry, Sir ? «
    »Flüchtlinge«, wiederholte Harry. »Vukovar? «
    Harry spürte die Regentropfen auf seinen Kopf fallen, als der Schirm und das Lächeln plötzlich verschwanden und der behandschuhte Zeigefinger des Admirals auf eine etwas weiter entfernte Tür in der gleichen Fassade deutete.
    Als Harry die große, nackte Lobby mit der hohen Decke betrat, fiel ihm als Erstes auf, dass es irgendwie nach Krankenhaus roch.
    Und die vierzig bis fünfzig Personen, die an den zwei langen Tischen in der Mitte des Raumes saßen und standen oder an der Rezeption auf die Suppenausgabe warteten, erinnerten ihn an Patienten. Vielleicht lag es an der Kleidung: ausgebeulte Trainingsanzüge, abgetragene Pullover und löchrige Pantoffeln, die deutlich zeigten, wie gleichgültig den Besitzern ihr Äußeres war. Oder waren es die gesenkten Köpfe über den Suppentellern und die schläfrigen, mutlosen Blicke, die ihn kaum wahrnahmen?
    Harrys Blick schweifte durchs Lokal und blieb an der Bar hängen. Sie erinnerte vage an eine Würstchenbude und war verwaist bis auf einen Barkeeper, der drei Dinge gleichzeitig tat: Er polierte ein Glas, er kommentierte für die Männer am vordersten Tisch lauthals das Fußballspiel, das in einem von der Decke herabhängenden Fernseher lief, und er verfolgte jede noch so kleine Bewegung von Harry.
    Harry spürte, dass er am richtigen Ort war, und steuerte die Baran. Der Barkeeper fuhr sich mit der Hand durch seine fettglänzenden, nach hinten gekämmten Haare.
    »Da?«
    Harry versuchte die Flaschen zu ignorieren, die auf dem hinteren Regal der Würstchenbude standen. Aber er hatte seinen alten Freund und Feind Jim Beam längst ausgemacht. Der Barkeeper folgte Harrys Blick und zeigte fragend auf die viereckige Flasche mit dem braunen Inhalt.
    Harry schüttelte den Kopf. Und holte tief Luft. Es gab keinen Grund, die Sache komplizierter zu machen.
    »Mali spasitelj . « Er sagte es laut genug, dass der Barkeeper es trotz des lärmenden Fernsehers verstand. »Ich suche den kleinen Erlöser.«
    Der Barkeeper musterte Harry, ehe er auf Englisch, mit hartem deutschem Akzent, antwortete: »Ich kenne keinen Erlöser.«
    »Von einem Freund aus Vukovar habe ich erfahren, dass mir mali spasitelj helfen kann.« Harry nahm den braunen Umschlag aus der Jackentasche und legte ihn geöffnet auf den Tresen.
    Der Barkeeper sah hinein, ohne ihn zu berühren. »Sie sind Polizist«, sagte er.
    Harry schüttelte den Kopf.
    »Sie lügen«, sagte der Barkeeper. »Das hab ich doch sofort gesehen, als Sie reingekommen sind.«
    »Der Mann, den Sie gesehen haben, war zwölf Jahre Polizist, ist es jetzt aber nicht mehr. Ich habe vor zwei Jahren aufgehört.« Harry hielt dem Blick des Barkeepers stand. Und fragte sich im Stillen, weswegen dieser wohl eingesessen hatte. Die Größe der Muskeln und der Umfang der Tätowierungen deutete auf eine lange Haftstrafe hin.
    »Hier wohnt niemand, der Erlöser genannt wird. Und ich kenne alle.«
    Als sich der Barkeeper umdrehen wollte, beugte Harry sich über den Tresen und fasste ihn am Oberarm. Der Barkeeper blickte auf Harrys Hand, und Harry konnte spüren, wie der Bizeps anschwoll. Er ließ los: »Mein Sohn wurde von einem Dealer erschossen, der vor der Schule Dope verkauft hat. Weil er ihm gedroht hat, es dem Rektor zu melden, wenn das nicht aufhört.«
    Der Barkeeper antwortete nicht.
    »Er wurde elf Jahre alt«, sagte Harry.
    »Ich habe keine Ahnung, warum Sie mir das erzählen, Mister.« »Damit Sie kapieren, warum ich hier sitzen bleiben werde, bis jemand kommt, der mir helfen kann.«
    Der Barkeeper nickte langsam. Die Frage kam blitzschnell. »Wie

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