Der Erl�ser
müssen. Aber die Zähne und Kiefermuskulatur eines Schwarzen Metzners sind dazu gedacht, Knochen zu zerbeißen; daher auch das Gerücht, er sei mit den knochenfressenden Fleckenhyänen verwandt. Also blieb er, wo er war, die zwei gebogenen Fangzähne des Oberkiefers wie Bolzen in Harrys Bein verankert, während die Zähne des Unterkiefers den Biss stabilisierten. Einen Fangzahn im Unterkiefer hatte sich der Hund an einer Stahlprothese abgebrochen, als er erst drei Monate alt gewesen war.
Harry bekam den linken Ellenbogen über den Rand des Zauns und versuchte, sich und den Hund hochzuziehen, doch das Tier steckte mit einer Pfote im Gitter. Er tastete mit der rechten Hand nach seiner Manteltasche, fand sie und griff nach dem gummierten Griff der Taschenlampe. Als er nach unten blickte, sah er das Tier überhaupt zum ersten Mal. Schwarze Augen blinzelten ihm matt aus einem ebenso schwarzen Kopf entgegen. Harry schlug mit der Taschenlampe zu. Er traf den Hund so hart, dass er es knacken hörte, genau zwischen den Ohren. Wieder hob er die Taschenlampe und schlug ein weiteres Mal zu. Traf die empfindliche Schnauze. Verzweifelt hieb er auf die Augen ein, die jetzt nicht mehr blinzelten. Schließlich rutschte ihm die Lampe aus der Hand und fiel zu Boden. Der Köter hing fest. Harry ging langsam die Kraft in den Armen aus. Er wollte nicht daran denken, wie die Fortsetzung aussehen würde, konnte den Gedanken aber nicht wegschieben.
»Hilfe!«
Harrys unschlüssiger Ruf wurde vom auffrischenden Wind verschluckt. Er hielt sich mit der anderen Hand fest und verspürte plötzlich den unbändigen Drang zu lachen. So konnte es doch unmöglich enden? Dass er mit durchgebissener Kehle in einem Containerhafen gefunden wurde, zur Strecke gebracht von einem Wachhund? Harry holte tief Luft. Die Maschen des Zauns stachen ihm in die Achselhöhle, und seine Finger wurden langsam taub. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis er den Halt verlor. Wenn er nur eine Waffe gehabt hätte. Irgendeine Flasche, die er zerbrechen konnte, um damit zuzustechen, statt dieser blöden Taschenlampe.
Der Flachmann!
Mit letzter Kraft bekam Harry die Hand in die Innentasche und zog die kleine Metallflasche heraus. Er biss mit den Zähnen auf die Metallkappe und drehte. Der Verschluss öffnete sich und der Alkohol rann ihm in die Mundhöhle. Es fuhr wie ein Stoß durch seinen Körper. Mein Gott. Er presste sein Gesicht gegen den Zaun, wobei seine Augenlider zugedrückt wurden und die weit entfernten Lichter des Plaza und des Opera Hotels sich zu weißen Strichen im Schwarz zusammenzogen. Mit der rechten Hand hielt er den Flachmann über den roten Rachen des Hundes. Dann spuckte er Schraubverschluss und Alkohol aus, murmelte »Prost« und drehte die Flasche um. Zwei lange Sekunden starrten ihn die schwarzen Hundeaugen voller Verwirrung an, während die braune Flüssigkeit glucksend über Harrys Bein in den geöffneten Rachen floss. Dann ließ das Tier los. Harry hörte, wie lebendiges Fleisch auf dem nackten Asphalt aufschlug. Gefolgt von einer Art Röcheln und leisem Winseln, ehe die Pfoten wieder über den Boden kratzten und der Hund von der Dunkelheit verschluckt wurde, aus der er gekommen war.
Harry zog die Beine hoch und schwang sich über den Zaun. Er krempelte das Hosenbein hoch. Auch ohne Taschenlampe konnte er erkennen, dass an diesem Abend der Notarzt angesagt war und nicht »All About Eve«.
*
Jon hatte den Kopf auf Theas Schoß gebettet. Mit geschlossenen Augen lag er da und genoss das gleichmäßige Surren des Fernsehers. Es lief eine dieser Serien, die sie so mochte. »The King of Bronx«. Oder war es Queens?
»Hast du deinen Bruder gefragt, ob er die Schicht am Egertorg übernimmt?«, fragte Thea.
Sie hatte ihm eine Hand über die Augen gelegt. Er roch das süßliche Aroma ihrer Haut, das ihm verriet, dass sie sich gerade Insulin gespritzt haben musste.
»Welche Schicht?«, fragte Jon.
Sie zog die Hand weg und sah ihn ungläubig an.
Jon lachte. »Heh, ist alles okay. Ich hab schon längst mit Robert gesprochen. Er hat zugesagt.«
Sie stöhnte resigniert. Jon nahm ihre Hand und legte sie wieder auf seine Augen.
»Ich habe nur nicht gesagt, dass es wegen deines Geburtstags ist«, sagte er, »sonst hätte er vielleicht nicht eingewilligt.«
»Warum nicht?«
»Weil er verrückt nach dir ist, und das weißt du auch.« »Du bist der Einzige, der das immer behauptet.«
»Und du magst ihn nicht.«
»Das ist nicht wahr!«
»Und
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