Der Erl�ser
sein Hosenbein hoch. »Hier.«
»Ach, das. « Mathias Lund-Helgesen lächelte etwas verwirrt. »Was ist das?«
»Da hat mich ein Hund gebissen. Können Sie das verarzten?« »Da kann ich kaum etwas machen. Die Blutung wird von selbstzum Stillstand kommen. Ich kann die Wunde reinigen und verbinden.« Er beugte sich nach unten. »Bisswunden von drei Zähnen, das kann ich erkennen. Und dann brauchen Sie noch eine Tetanusspritze.«
»Der hat mir bis auf den Knochen gebissen.«
»Ja, das fühlt sich häufig so an. «
»Nein, ich meine, der hat wirklich « Harry hielt inne und atmete durch die Nase. Ihm war gerade aufgegangen, dass Mathias Lund-Helgesen ihn für angetrunken hielt. Und wieso auch nicht? Ein von einem Hund gebissener Polizist mit zerrissenen Kleidern, einem üblen Ruf und unverkennbarer Fahne. Würde er es so darstellen, wenn er Rakel erzählte, dass ihr Ex wieder rückfällig geworden war?
»… hart zugebissen!«
KAPITEL 4
Montag, 14. Dezember. Abschied
T rka!«
Er richtete sich mit einem Ruck im Bett auf und hörte das Echo seiner eigenen Stimme zwischen den nackten, weißen Hotelwänden. Das Telefon auf dem Nachttischchen klingelte. Er nahm den Hörer ab.
»This is your wake-up call ...«
»Hvala« , dankte er, obwohl er wusste, dass es sich bloß um eine Stimme auf einem Band handelte.
Er war in Zagreb. Heute sollte er weiter nach Oslo. Zu seinem wichtigsten Auftrag. Seinem letzten.
Er schloss die Augen. Da war wieder dieser Traum gewesen. Nicht von Paris, nicht von einem der anderen Jobs, von denen träumte er nie. Es war wie immer um Vukovar gegangen. Um den Herbst der Belagerung.
In dieser Nacht hatte er geträumt, dass er lief. Wie immer war er durch den Regen gerannt, wie immer war es der Abend gewesen, an dem sie Vater im Kreißsaal den Arm abgesägt hatten und an dem er vier Stunden später plötzlich gestorben war, obwohl die Ärzte betont hatten, die Operation sei gut verlaufen. Sie sagten, sein Herz sei einfach stehen geblieben. In diesem Moment lief er seiner Mutter davon, rannte ins Dunkel, in den Regen, hinunter zum Fluss, in der Hand die Pistole seines Vaters. Er näherte sich den serbischen Stellungen, aus denen man Leuchtraketen abfeuerte und auf ihn schoss. Völlig gleichgültig hörte er das Schmatzen der Einschläge im Boden ringsum, bis er ins Leere trat und in einem tiefen Bombentrichter verschwand. Das Wasser schluckte ihn, erstickte alle Geräusche, bis es still um ihn war. Er lief am Boden des Kraters weiter ,gelangte aber nirgendwohin. Und während er spürte, wie seine Glieder steifer und steifer wurden und ihn die Schläfrigkeit betäubte, nahm er etwas Rotes wahr, das sich durch das Schwarz ringsum bewegte wie die Flügelschläge eines Vogels in Zeitlupe. Als er wieder zu sich kam, lag er unter einer Wolldecke. Über ihm hing eine nackte Glühbirne, während die Artillerie der Serben orgelte und ihm kleine Bröckchen Putz und Erde in Augen und Mund rieselten.
Er spuckte aus, und jemand beugte sich zu ihm herab und erklärte, Bobo, der Kapitän persönlich, habe ihn aus dem vollgelaufenen Bombentrichter gerettet. Dabei deutete der Fremde auf einen kahlköpfigen Mann, der an der Treppe des Bunkers stand. Er trug eine Uniform und ein rotes Tuch um den Hals.
Er öffnete die Augen und sah auf das Thermometer, das er aufs Nachttischchen gelegt hatte. Die Raumtemperatur war seit November nie über sechzehn Grad gestiegen, obwohl die Hotelrezeption versicherte, dass die Heizung voll aufgedreht sei. Er stand auf. Er musste sich beeilen, der Bus zum Flughafen fuhr in einer halben Stunde vor dem Hotel ab.
Er starrte in den Spiegel über dem Waschbecken und versuchte sich Bobos Gesicht vorzustellen. Aber es war wie das Nordlicht, es verschwand unmerklich, während er es anstarrte. Erneut klingelte das Telefon.
»Da, majka. «
Nach dem Rasieren trocknete er sich ab und zog sich rasch an. Er nahm eine der beiden schwarzen Metallschachteln aus dem Safe und öffnete sie. Eine Llama MiniMax Sub Compact mit sieben Schuss. Sechs im Magazin plus eine in der Kammer. Er nahm die Waffe auseinander und verteilte die Einzelteile auf die vier kleinen, speziell ausgearbeiteten Verstecke an den unteren Eckenverstärkungen des Koffers. Sollten sie ihn im Zoll aufhalten und seinen Koffer untersuchen, würde das Metall der Eckenverstärkungen die Waffenteile verdecken. Dann überprüfte er noch, ob er den Pass und den Briefumschlag mit dem Flugticket hatte, den er von ihr
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