Der Erl�ser
Harry, der die Notizen, die er sich morgens um sechs gemacht hatte, wieder in seiner Mappe verstaute.
»Sorry«, sagte Skarre. »War ’ne blöde Idee.«
»Schon in Ordnung«, sagte Harry. »War sicher gut gemeint.« Skarre räusperte sich. »Selten, dass man dich im Anzug sieht.« »Robert Karlsens Beerdigung ist um zwölf«, sagte Harry, ohne aufzublicken. »Ich dachte, ich schau mal nach, wer da so auftaucht.« »Verstehe.« Skarre wippte auf den Zehenspitzen.
Harry hörte auf, durch die Papiere zu blättern. »Sonst noch was, Skarre ? «
»Ja, schon. Ich dachte, da ja einige der Abteilung Familie haben und sich auf Weihnachten freuen, während ich Single bin « »Hm?«
»Wollte ich mich freiwillig melden.«
»Freiwillig?«
»Ich habe Lust, an dieser Sache dranzubleiben. Also, wenn du mich dabeihaben willst«, beeilte sich Skarre hinzuzufügen.
Harry sah Magnus Skarre an.
»Ich weiß, dass du mich nicht magst«, sagte Skarre.
»Das ist es nicht«, sagte Harry. »Ich habe bereits entschieden, wer weiter mit dabei sein soll. Und das sind diejenigen, die ich für die Besten halte, und nicht die, die ich mag.«
Skarre zuckte mit den Schultern, und sein Adamsapfel hüpfte einmal auf und nieder. »Faire Sache. Also dann, frohe Weihnachten.« Er ging zur Tür.
»Deshalb will ich«, sagte Harry und stopfte seine Notizen in die Mappe, »dass du als Erstes Robert Karlsens Bankkonto überprüfst. Achte drauf, was da im letzten halben Jahr eingezahlt und abgehoben worden ist, und notier dir die Unregelmäßigkeiten.«
Skarre blieb stehen und sah sich überrascht um.
»Das Gleiche machst du mit den Konten von Albert und Mads Gilstrup. Hast du dir alles gemerkt, Skarre? «
Magnus Skarre nickte eifrig.
»Überprüf auch bei Telenor, ob es in dieser Zeit Telefonate zwischen Robert und Gilstrup gegeben hat. Ja, und da es ja so aussieht, als hätte Stankic Halvorsens Handy mitgenommen, check auch mal dessen Nummer. Du musst dir beim Staatsanwalt eine Genehmigung für die Konteneinsicht holen.«
»Brauch ich nicht«, sagte Skarre. »Nach den neuesten Instruktionen haben wir volles Einsichtsrecht.«
»Hm. « Harry blickte Skarre ernst an. »Wusste doch gleich, dass es sich lohnt, einen dabeizuhaben, der die Instruktionen gelesen hat.«
Dann ging er hinaus.
Robert Karlsen hatte keinen Offiziersgrad gehabt, aber da er im Dienst gestorben war, hatte man beschlossen, ihn trotzdem auf dem Teil des Friedhofs Vestre Gravlund zu bestatten, der den Offizieren der Heilsarmee vorbehalten war. Nach der Trauerfeier und der Beerdigung sollte noch eine Gedenkstunde in den Räumlichkeiten des Korps in Majorstua stattfinden.
Als Harry in die Kapelle kam, drehte sich Jon in der ersten Bank um, wo er allein mit Thea saß. Harry schloss daraus, dass Roberts Eltern nicht gekommen waren. Er hatte kurz Augenkontakt mit Jon, der ihm knapp und ernst, aber mit dankbarer Miene zunickte.
Ansonsten war die Kapelle wie erwartet bis auf den letzten Platz gefüllt. Die meisten trugen die Uniform der Heilsarmee. Harry sah Rikard und David Eckhoff. Und daneben Gunnar Hagen. Aber auch einige Geier von der Presse. Im gleichen Moment schob sich Roger Gjendem neben ihm auf die Bank und fragte, ob er wisse, warum der Ministerpräsident entgegen seiner Ankündigung nun doch nicht kam.
»Fragen Sie im Büro des Ministerpräsidenten nach«, antwortete Harry, der darüber informiert war, dass das Büro am gleichen Morgen einen diskreten Anruf aus dem Präsidium erhalten hatte und über Robert Karlsens mögliche Verstrickung in den Mordfall informiert worden war. Dort war man aber ohnehin zu dem Schluss gekommen, dass der Regierungschef anderen wichtigen Sitzungen den Vorrang einräumen musste.
Auch Kommandeur David Eckhoff hatte einen Anruf aus dem Präsidium erhalten, und im Hauptquartier war leichte Panik ausgebrochen, als sich dann auch noch eine der Schlüsselpersonen der Beerdigung, seine Tochter Martine, kurzfristig krankmeldete und nicht zur Arbeit erschien.
Der Kommandeur hatte mit autoritärer Stimme verkündet, ein Mann sei so lange unschuldig, bis das Gegenteil unwiderruflich bewiesen sei. Außerdem, hatte er hinzugefügt, sei es ohnehin zu spät, jetzt noch etwas zu ändern, die Show müsse so ablaufen wie geplant. Und der Ministerpräsident hatte ihm versichert, seiner Teilnahme am Weihnachtskonzert am nächsten Tag stehe weiterhin nichts im Wege.
»Und sonst?«, flüsterte Gjendem. »Gibt’s was Neues bei den Morden?«
»Sie haben
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