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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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doch wohl die Nachricht erhalten?«, sagte Harry. »Jeglicher Kontakt mit der Presse läuft über Gunnar Hagen oder den autorisierten Pressesprecher.«
    »Die lassen doch nichts raus.«
    »Klingt, als würden sie sich auf ihre Arbeit verstehen.«
    »Kommen Sie, Hole. Ich sehe doch, dass da was im Busch ist. Was ist mit dem Kommissar, der da auf der Gøteborggata niedergestochen wurde? Hat dieser Vorfall irgendetwas mit dem Täter zu tun, den sie gestern abgeknallt haben?«
    Harry schüttelte den Kopf, was gleichermaßen »nein« oder »kein Kommentar« bedeuten konnte.
    Im gleichen Moment verstummten die Orgelmusik und das Gemurmel der Anwesenden, und ein frisch gekürtes Schlagersternchen ging nach vorn und sang einen bekannten Psalm mit verführerisch viel Luft, leichtem Stöhnen und einer stimmlichen Berg- und Talfahrt auf dem letzten Ton, die Mariah Carey vor Neid hätte erblassenlassen. Einen Moment lang spürte Harry das unbändige Verlangen nach einem Drink. Doch dann machte sie endlich den Mund zu und senkte voller Trauer den Kopf ins Blitzlichtgewitter. Ihr Manager lächelte zufrieden. Vermutlich hatte er keinen Anruf aus dem Präsidium erhalten.
    Eckhoffs Predigt handelte von Mut und der Bereitschaft, Opfer zu bringen.
    Es gelang Harry nicht, sich zu konzentrieren. Er sah den Sarg und dachte an Halvorsen. Und an Stankics Mutter. Und wenn er die Augen schloss, dachte er an Martine.
    Anschließend wurde der Sarg von sechs Offizieren aus der Kapelle getragen. Jon und Rikard gingen ganz vorn.
    Jon rutschte auf dem Eis, als sie um die Ecke bogen und auf den Kiesweg kamen.
    Harry ging, als die anderen noch ums Grab herumstanden. Er schlenderte durch den menschenleeren Teil des Friedhofs in Richtung Frognerpark, als er hinter sich im Schnee Schritte knirschen hörte.
    Erst dachte er, es müsse ein Journalist sein, doch als er den hastigen, erregten Atem hörte, reagierte er, ohne weiter nachzudenken, und wirbelte herum.
    Es war Rikard. Er blieb wie angewurzelt stehen.
    »Wo ist sie?«, fragte er keuchend.
    »Wo ist wer?«
    »Martine.«
    »Ich habe gehört, sie ist krank.«
    »Krank, ja.« Rikards Brust hob und senkte sich. »Aber zu Hause im Bett? Nein. Und sie war auch die ganze Nacht nicht zu Hause.« »Woher wissen Sie das?«
    »Lassen ...! « Rikards Ruf tönte wie ein Schmerzensschrei, und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als könne er seine eigene Mimik nicht mehr kontrollieren. Doch dann bot er seine ganze Kraft auf, holte tief Luft und riss sich zusammen.
    »Lassen Sie diesen Blödsinn!«, fauchte er. »Ich weiß doch längst Bescheid. Sie haben sie getäuscht. Besudelt. Sie ist in Ihrer Wohnung, nicht wahr? Aber Sie werden sie nicht «
    Rikard machte einen Schritt auf Harry zu, der automatisch die Hände aus den Manteltaschen nahm.
    »Hören Sie«, sagte Harry. »Ich habe keine Ahnung, wo Martine ist.«
    »Sie lügen!« Rikard ballte die Fäuste, und Harry erkannte, dass es höchste Zeit war, die richtigen, beruhigenden Worte zu finden. Er setzte auf folgende Ansprache: »Ich möchte Ihnen nur ein paar Dinge sagen, die Sie vielleicht mit in Erwägung ziehen sollten, Rikard. Ich bin nicht sonderlich schnell, aber ich wiege fünfundneunzig Kilo und habe schon einmal ein Loch in eine Haustür aus Eichenholz geschlagen. Und gemäß Paragraph 27 des Strafgesetzbuches beträgt die Mindeststrafe für einen gewalttätigen Angriff auf einen Beamten sechs Monate. Sie riskieren also Krankenhaus und Gefängnis.«
    Rikard starrte ihn wütend an. »Wir sprechen uns noch, Harry Hole«, sagte er leise, drehte sich um und rannte zwischen den Grabsteinen hindurch über den Schnee in Richtung Kirche.
     
    *
     
    Imtiaz Rahim war schlecht gelaunt. Er hatte sich gerade mit seinem Bruder über die Weihnachtsdekoration an der Wand hinter der Kasse gestritten. Imtiaz war der Meinung, es sei doch wohl mehr als genug, Adventskalender, Schweinefleisch und andere christliche Waren zu verkaufen, so dass sie Allah nicht auch noch dadurch beleidigen mussten, dass sie sich an heidnischen Bräuchen beteiligten. Was würde ihre pakistanische Kundschaft sagen? Doch sein Bruder fand, dass sie eher an ihre anderen Kunden denken sollten. Zum Beispiel an die aus dem Mietshaus auf der anderen Seite der Gøteborggata. Es könne nicht schaden, ihrem kleinen Laden in diesen Tagen einen christlichen Touch zu geben. Imtiaz hatte den kleinen Disput zwar gewonnen, doch er konnte sich nicht recht darüber freuen.
    Imtiaz seufzte deshalb

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