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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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ich verspreche dir, dass ich ihn kriegen werde. So oder so. Ich schwöre es.«
    Harry sah in ihren Augen etwas erwachen. Und wenn er sich nicht irrte, war das die Hoffnung. Er wartete. Dann flüsterte sie etwas Unverständliches.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Harry und beugte sich vor.
    »Wer wird mir denn glauben?«, hauchte sie. »Wer wird mir glauben, jetzt … wo Robert tot ist?«
    Harry legte ihr vorsichtig die Hand auf die Schulter. »Versuch es, dann werden wir sehen.«
    Die orangen Wolken färbten sich langsam rot.
    »Er hat mir gedroht, meiner Familie alles kaputtzumachen, wenn ich nicht tue, was er sagt«, begann sie. »Dass wir aus der Wohnunggeworfen werden und wieder zurückmüssen. Aber es gibt nichts mehr, wohin wir zurückkönnten. Und wenn ich es ihnen gesagt hätte, wer hätte mir denn dann geglaubt? Wer «
    Sie verstummte.
    »... außer Robert«, sagte Harry. Und wartete.
     
    Harry suchte die Visitenkarte von Mads Gilstrup heraus und warf einen Blick auf die Adresse. Er wollte ihn besuchen. Und ihn erst einmal fragen, warum er Halvorsen angerufen hatte. Auf dem Weg zu Gilstrups Adresse musste er am Haus von Rakel und Oleg vorbeifahren, das am Holmenkollåsen lag.
    Als er daran vorbeifuhr, bremste er nicht, sondern warf nur kurz einen Blick auf die Einfahrt. Beim letzten Mal hatte ein Cherokee-Jeep vor der Garage gestanden. Damals hatte er angenommen, dass das der Wagen des Arztes war. Jetzt sah er nur Rakels Wagen. In Olegs Zimmer brannte Licht.
    Harry kroch durch die Haarnadelkurven zwischen Oslos teuersten Villen hindurch, bis die Straße wieder geradeaus lief und langsam immer steiler anstieg. Er kam am weißen Obelisken der Hauptstadt, der Holmenkollen-Schanze, vorbei. Unter ihm erstreckten sich die Stadt und der Fjord. Dünne Nebelschwaden lagen zwischen den schneebedeckten Inseln. Der kurze Tag, der eigentlich nur aus Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bestand, blinzelte noch einmal. Die Lichter dort unten waren längst eingeschaltet worden, der letzte Countdown der Adventsbeleuchtung lief.
    Er hatte beinahe alle Puzzleteilchen zusammen.
    Nachdem er viermal vergeblich an Gilstrups Tür geklingelt hatte, gab Harry auf. Als er zurück zum Auto ging, trat ein Mann aus dem Nachbarhaus und fragte ihn, ob er ein Bekannter von Gilstrup sei. Also, er wolle ja nicht den häuslichen Frieden stören, aber sie hätten am Morgen einen lauten Knall im Haus vernommen, und da Mads Gilstrup ja gerade seine Frau verloren habe, fragten sie sich, ob man nicht vielleicht die Polizei verständigen sollte? Harry ging zurück und schlug die Scheibe neben der Tür ein, woraufhin sofort der Alarm losbrach.
    Und während die Sirene ihre heiser an- und abschwellenden Töne von sich gab, fand Harry ins Wohnzimmer. Aus Rücksicht auf denBericht blickte er auf die Uhr und zog die zwei Minuten ab, um die Møller die Uhr vorgestellt hatte. 15.3 7 Uhr.
    Mads Gilstrup war nackt und hatte keinen Hinterkopf mehr. Er lag auf der Seite auf dem Parkett vor einer hell erleuchteten Leinwand, und es sah fast so aus, als wüchse ihm die Schrotflinte mit dem roten Schaft aus dem Mund. Der Lauf war lang, und aufgrund seiner Position schätzte Harry, dass Mads Gilstrup mit dem großen Zeh abgedrückt haben musste. Was nicht nur eine gewisse Geschicklichkeit voraussetzte, sondern auch den unbändigen Willen zu sterben.
    Dann verstummte der Alarm abrupt, und Harry konnte das Rauschen des Projektors hören, der eine starre, zitternde Nahaufnahme eines Brautpaars auf dem Weg durch die Kirche zeigte. Die Gesichter, das strahlende Lächeln und das weiße Brautkleid lagen unter einem blutigen Gittermuster, das auf der Leinwand angetrocknet war.
    Der Abschiedsbrief steckte auf dem Wohnzimmertisch unter einer leeren Cognacflasche. Er war kurz:
    »Vergib mir, Vater. Mads.«

 
    KAPITEL 31
    Dienstag, 22. Dezember. Die Auferstehung
     
     
    E r betrachtete sich selbst im Spiegel. War es möglich, dass auch dieses Gesicht eines Tages mit einem lächelnden »Zdravo« von den Nachbarn begrüßt werden würde? So wie man Bekannte und Freunde grüßte, die Guten? Vielleicht nächstes Jahr, wenn sie morgens aus ihrem kleinen Haus in Vukovar traten?
    »Perfekt«, sagte die Frau hinter ihm.
    Er nahm an, dass sie den Smoking meinte, den er in dem Kostümverleih mit angeschlossener Reinigung anprobierte.
    »How much ? « , fragte er.
    Er bezahlte und versprach ihr, den Smoking bis zum Mittag des darauffolgenden Tages zurückzubringen.
    Dann trat er in das

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