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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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erwarte.«
    »Dezernat.«
    »Wie meinen Sie? «
    »Wir haben hier noch nie von Abteilungen gesprochen. Obwohl es früher mal Polizeiabteilungsleiter hieß. Nur zu Ihrer Information.«
    »Danke, das ist mir bekannt, Hauptkommissar. Wo war ich stehen geblieben?«
    »Dis-zi-plin. «
    Hagen bedachte Harry mit einem bohrenden Blick, doch der verzog keine Miene, so dass sein Chef wieder auf und ab zu stolzieren begann.
    »In den letzten zehn Jahren war ich Dozent an der Militärakademie. Mein Spezialgebiet war der Krieg in Birma. Es wird Sie sicher überraschen, Hole, wenn ich Ihnen sage, dass das von hoher Relevanz für meine Arbeit hier ist.«
    »Tja.« Harry kratzte sich am Bein. »Sie lesen mich wie ein offenes Buch, Chef.«
    Hagen fuhr mit dem Zeigefinger über den Fensterrahmen und studierte missbilligend seine Fingerkuppe. »1942 eroberten knapp hunderttausend japanische Soldaten Birma. Birma war doppelt so groß wie Japan und zu diesem Zeitpunkt von britischen Truppen besetzt, die den Japanern sowohl zahlenmäßig als auch in puncto Ausrüstung überlegen waren.« Hagen hob seinen schmutzigen Zeigefinger. »Aber es gab einen Aspekt, in dem die Japaner überlegen waren und der es ihnen ermöglichte, die Briten samt ihren indischen Söldnern in die Flucht zu schlagen. Disziplin. Als die Japaner gegen Rangun zogen, marschierten sie fünfundvierzig Minuten und schliefen fünfzehn. Sie legten sich einfach mit den geschulterten Rucksäcken auf die Straße. Die Füße in Marschrichtung. So dass sie nicht in den Graben stürzen oder in die falsche Richtung laufen konnten, wenn sie aufwachten. Die Richtung ist wichtig, Hole. Verstehen Sie, Hole?«
    Harry schwante, was nun kommen würde. »Ich nehme an, dass sie es nach Rangun geschafft haben, Chef.«
    »Das haben sie. Jeder von ihnen. Weil sie getan haben, was man ihnen befohlen hat. Ich habe soeben erfahren, dass Sie sich die Schlüssel von Tom Waalers Wohnung haben aushändigen lassen. Entspricht das der Wahrheit, Hole?«
    »Nur ein kleiner Blick, Chef. Aus rein therapeutischen Gründen.«
    »Das hoffe ich. Die Sache ist erledigt. In Waalers Wohnung herumzuschnüffeln ist nicht nur vergeudete Zeit, sondern läuft auchdem Befehl zuwider, den Sie bereits vom Kriminalchef erhalten haben und den ich hiermit erneuere. Ich glaube, ich muss nicht erst verdeutlichen, welche Konsequenzen eine Befehlsverweigerung haben kann. Ich möchte nur erwähnen, dass die japanischen Offiziere ihre Soldaten erschossen, wenn sie außerhalb der Trinkzeiten Wasser tranken. Nicht aus Sadismus, sondern weil Disziplin bedeutet, jede noch so kleine Krebsgeschwulst sofort auszumerzen. Drücke ich mich deutlich genug aus, Hole?«
    »Klar wie … tja, wie etwas, das ganz klar ist, Chef.«
    »Das war es fürs Erste, Hole.« Hagen setzte sich auf seinen Stuhl, nahm ein Schriftstück aus der Schublade und begann mit einer Inbrunst zu lesen, als hätte Harry das Büro bereits verlassen. Dann hob er noch einmal den Blick und stellte überrascht fest, dass Harry noch immer vor ihm saß.
    »Sonst noch was, Hole?«
    »Hm, tja, ich hätte da noch eine Frage. Die Japaner haben doch den Krieg verloren, oder?«
    Gunnar Hagen blieb sitzen und starrte noch lange nachdem Harry gegangen war, wie blind auf seinen Zettel.
     
    *
     
    Das Restaurant war nur halb voll. Genau wie am Abend zuvor. In der Tür wurde er von einem jungen, hübschen Kellner mit blauen Augen und blonden Locken begrüßt, der Giorgi derart ähnlich sah, dass er kurz stehen bleiben und ihn genauer ansehen musste. Als er das Lächeln bemerkte, das sich auf den Lippen des Mannes ausbreitete, wusste er, dass er enttarnt worden war. Er hängte seinen Mantel und die Regenjacke an die Garderobe und spürte den Blick des Kellners im Rücken.
    » Your name ?«, fragte der Mann, und er murmelte eine Antwort.
    Der Kellner fuhr mit einem schlanken, langen Finger über die Reservierungsliste und hielt inne, als er bei dem Namen angekommen war.
    »I got my finger on you now« , sagte der Mann, dessen blaue Augen seinem Blick standhielten, bis er spürte, dass er rot wurde.
    Das Restaurant wirkte nicht sonderlich exklusiv. Wenn ihn seine Rechenkünste nicht vollends im Stich ließen, lagen die Preise der Gerichte jedoch jenseits jeglicher Vernunft. Er bestellte Pasta und ein Glas Wasser. Er hatte Hunger. Sein Herz klopfte ruhig und gleichmäßig. Die anderen Menschen im Restaurant redeten, lächelten und lachten, als könne ihnen nichts geschehen. Es hatte ihn

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