Der Erl�ser
schüttelten erneut den Kopf.
»Gut. Jetzt wissen Sie Bescheid. Ich habe im Moment wenig Zeit, aber wir würden Ihnen gerne morgen noch ein paar Fragen stellen.«
»Natürlich, Herr Hauptkommissar«, sagte der Kommandeur und straffte den Rücken. »Aber bevor Sie gehen, möchte ich Sie noch bitten, mir ein paar mehr Details über die Geschehnisse zu nennen.«
»Schauen Sie im Videotext nach. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit.«
Martine beobachtete, wie sich die Gesichtsfarbe ihres Vaters veränderte. Dann wandte sie sich dem Polizisten zu und sah ihn an.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Zeit ist ein wichtiger Faktor in dieser Phase der Ermittlungen.«
»Sie Sie könnten es bei meiner Schwester versuchen, Thea Nilsen. « Alle drei wandten sich Rikard zu. Er schluckte. »Sie wohnt im Apartmenthaus der Armee in der Gøteborggata. «
Der Polizist nickte. Er war im Begriff zu gehen, drehte sich aber noch einmal zu Eckhoff um.
»Warum wohnen die Eltern nicht mehr in Norwegen?« »Das ist eine lange Geschichte. Sie sind abgefallen.« »Abgefallen?«
»Vom Glauben abgefallen. Menschen, die in der Armee aufgewachsen sind, bekommen oft Schwierigkeiten, wenn sie sich für einen anderen Weg entscheiden.«
Martine studierte ihren Vater. Aber nicht einmal sie – seine Tochter – vermochte die Lüge auf seinem Granitgesicht zu erkennen. Der Polizist kehrte ihnen den Rücken zu, und sie spürte die ersten Tränen aufsteigen. Als das Geräusch seiner Schritte verstummt war, räusperte sich Rikard.
»Ich habe die Räder in den Kofferraum gepackt.«
*
Als die Meldung endlich über die Lautsprecheranlage des Osloer Flughafens kam, wusste er längst Bescheid:
»Due to weather conditions, the airport has been temporarily closed!«
Kein Drama, beruhigte er sich selbst. Wie schon eine Stunde zuvor, als verkündet worden war, der Abflug seiner Maschine müsse aufgrund des Schneetreibens um eine Stunde verschoben werden.
Die Passagiere hatten gewartet, während sich draußen der Schnee auf die Flugzeuge legte. Unbewusst hatte er nach uniformierten Personen Ausschau gehalten. Auf einem Flughafen musste es Uniformierte geben, bildete er sich ein. Und als die ganz in blau gekleidete Frau am Infoschalter von Gate 42 zum Mikrofon griff, konnte er ihrem Gesichtsausdruck entnehmen, dass der Flug nach Zagreb gestrichen worden war. Es tat ihr leid. Und dann sagte sie, der Flug sei auf morgen früh, 10.40 Uhr verschoben worden. Kollektives, wenn auch gedämpftes Stöhnen von den Passagieren. Die Dame zwitscherte, die Fluggesellschaft würde sich für Transitreisende oder Reisende mit Rückflugtickets um eine Fahrkarte nach Oslo und ein Zimmer im SAS-Hotel kümmern.
Kein Drama, dachte er erneut, als der Zug durch die nachtschwarzeLandschaft nach Oslo zurücksauste. Er hielt nur einmal an einer kleinen Häusergruppe auf einem weißen Feld. Ein Hund hockte zitternd unter einer Bank auf dem Bahnsteig, während der Schnee durch die Lichtkegel fegte. Er sah aus wie Tinto, der herrenlose, verspielte Hund, der in seiner Kindheit in Vukovar immer durch die Nachbarschaft gestreunt war. Giorgi und ein paar von den anderen älteren Jungs hatten ihm ein Halsband angelegt. Darauf stand: Name: Tinto. Besitzer: Svi . Alle. Niemand wollte Tinto etwas Böses. Niemand. Aber manchmal reichte das nicht.
Der Zug gab ein langes Stöhnen von sich, und sie glitten wieder hinaus ins Schneetreiben.
*
Als Thea zur Tür ging, um aufzumachen, hatte Jon sich in den Teil des Raumes verdrückt, den man von der Tür aus nicht einsehen konnte. Es war Emma, die Stimme der Nachbarin: »Du musst wirklich entschuldigen, Thea, aber für diesen Mann scheint es wirklich sehr wichtig zu sein, Jon Karlsen zu finden.«
»Jon?«
Eine Männerstimme: »Ja. Ich habe gehört, dass er sich vielleicht bei einer Thea Nilsen aufhalten könnte, die hier wohnen soll. Auf den Klingeln unten standen keine Namen, aber die Dame hier war mir behilflich.«
»Jon hier? Ich weiß wirklich nicht, wie «
»Ich bin von der Polizei. Mein Name ist Harry Hole. Es geht um Jons Bruder.«
»Robert?«
Jon trat an die Tür. Ein Mann, so groß wie er, sah ihn aus hellblauen Augen an. »Hat Robert etwas angestellt?«, fragte er und versuchte, die Nachbarin zu ignorieren, die auf den Zehenspitzen stand, um dem Polizisten über die Schulter zu schauen.
»Das wissen wir nicht«, sagte der Mann. »Darf ich einen Moment hereinkommen?«
»Bitte«, sagte Thea.
Der Polizist trat ein und
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