Der Erl�ser
heißt?«
Harry sah auf seine Armbanduhr und zögerte, ehe er schnell und mit flacher Stimme antwortete:
»Ich habe Schwierigkeiten mit einer Religion, die behauptet, der Glaube als solcher reiche schon als Eintrittskarte für den Himmel. Deren Ideal also vorsieht, die eigene Vernunft so weit zu manipulieren, dass sie etwas annimmt, was der Verstand nicht akzeptieren kann. Das ist die gleiche Form der intellektuellen Unterwerfung, deren sich alle Diktaturen im Laufe der Jahrhunderte bedient haben: die Idee einer höheren Instanz, die aber keinerlei Beweise bedarf.«
Der Kommandeur nickte. »Ein gut reflektierter Einwand, Herr Hauptkommissar. Aber Sie sind nicht der Erste, der ihn vorbringt. Trotzdem gibt es viele weitaus intelligentere Menschen als Sie und mich, die glauben. Ist das nicht auch schon paradox?«
»Nein«, sagte Harry. »Ich begegne vielen Menschen, die wesentlich intelligenter sind als ich. Manche von ihnen nehmen Menschen aus Gründen das Leben, die weder sie selbst noch ich verstehen. Glauben Sie, dass der Mord an Robert gegen die Heilsarmee gerichtet war? «
Der Kommandeur setzte sich unwillkürlich in seinem Stuhl auf.
»Wenn Sie an politische Interessengruppen denken – das bezweifle ich. Die Heilsarmee hat immer eine Linie politischer Neutralität vertreten. Und in dieser Hinsicht waren wir konsequent.Nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs haben wir uns öffentlich gegen die deutsche Besatzung gewandt, sondern versucht, unsere tägliche Arbeit zu tun, so gut es ging.«
»Gratuliere«, sagte Halvorsen trocken und erntete einen warnenden Blick von Harry.
»Die einzige Invasion, die wir gutgeheißen haben, war die von 1888«, fuhr Eckhoff unbeirrt fort. »Als sich die schwedische Heilsarmee entschloss, Norwegen zu okkupieren, und wir die erste Suppenküche im ärmsten Viertel Oslos einrichten konnten. Übrigens genau da, wo heute das Polizeipräsidium steht.«
»Aber deswegen wird wohl kaum jemand einen Groll gegen Sie hegen«, sagte Harry. »Ich habe eher den Eindruck, die Heilsarmee ist populärer denn je. «
»Sowohl als auch«, erwiderte Eckhoff. »Wir genießen das Vertrauen der Bevölkerung, das spüren wir deutlich. Aber unsere Erfolge bei der Rekrutierung sind eher mäßig. Im Herbst waren nur elf Kadetten auf der Offiziersschule in Asker, das Wohnheim dort hat Platz für sechzig. Und da wir eine konservative Bibeldeutung vertreten, zum Beispiel in puncto Homosexualität, sind wir natürlich nicht in allen Lagern populär. Wir entwickeln uns zwar auch weiter, doch das geht bei uns viel langsamer als bei den liberaleren Kirchengemeinden. Aber wissen Sie was? Ich glaube, dass es in unserer rastlosen Zeit gar nicht so schlimm ist, wenn sich einige Dinge langsamer verändern.« Er lächelte Halvorsen und Harry zu, als hätten sie ihm zugestimmt. »Egal, jüngere Kräfte werden das Ruder übernehmen. Mit einem jüngeren Blick auf diese Dinge, nehme ich an. Wir sind gerade dabei, einen neuen Verwaltungschef zu suchen, und es haben sich sehr junge Menschen für diese Aufgabe beworben. « Er legte eine Hand auf seinen Bauch.
»War Robert einer davon?«, fragte Harry.
Der Kommandeur schüttelte lächelnd den Kopf. »Das kann ich mit Sicherheit verneinen. Aber sein Bruder, Jon, ist unter den Kandidaten. Der Betreffende wird beträchtliche Werte verwalten, unter anderem unsere gesamten Immobilien, und Robert war nicht der Mensch, dem man eine solche Verantwortung anvertraute. Er hat ja nicht einmal die Offiziersschule besucht.«
»Meinen Sie mit Immobilien die Häuser in der Gøteborggata?«
»Wir haben noch mehr. In der Gøteborggata wohnen ausschließlich unsere eigenen Mitarbeiter, während wir an anderen Orten, so zum Beispiel in der Jacob Aalls gate, auch Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia und Kroatien beherbergen.«
»Hm. « Harry sah auf sein Notizbuch. Er klopfte mit dem Stift auf die Armlehne und stand auf. »Ich glaube, wir haben jetzt Ihre Zeit genug beansprucht, Herr Eckhoff. «
»Ich bitte Sie. Schließlich beschäftigt uns diese Sache doch alle.« Der Kommandeur begleitete die beiden zur Tür.
»Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Herr Kommissar?«, fragte der Kommandeur. »Wo habe ich Sie schon einmal gesehen. Wissen Sie, ich vergesse niemals ein Gesicht.«
»Vielleicht im Fernsehen oder in der Zeitung«, sagte Harry. »Es gab ein bisschen Aufruhr um meine Person in Zusammenhang mit einer Mordermittlung in Australien.«
»Nein, solche Gesichter
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