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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Serg«, sagte der Vater. »Es ist Weihnachten.«
    Er sah auf die Uhr. In einer halben Stunde ging sein Zug. Es wurde Zeit. Er räusperte sich, legte die Serviette beiseite und stand auf:
    » Giorgi und ich haben über alle in Vukovar gesprochen, an die wir uns erinnern. Aber es gibt einen, über den wir noch nicht geredet haben.«
    »Ja?« Der Vater lächelte ihn verwundert an. »Wen meinst du, Serg? « Er hatte den Kopf etwas zur Seite gedreht und sah ihn aus einem Auge an. Als wollte er etwas entdecken, etwas erkennen, was ihm bis jetzt noch nicht klar geworden war.
    »Er hieß Bobo.«
    Die Augen von Giorgis Vater verrieten, dass er begriffen hatte.Dass er vielleicht nur auf so etwas gewartet hatte. Er hörte seine Stimme zwischen den kahlen Wänden widerhallen:
    »Du hast im Jeep gesessen und ihn für den serbischen Kommandanten identifiziert.« Er schluckte. »Bobo starb.«
    Es wurde still im Raum. Der Vater legte das Besteck aus der Hand. »Es war Krieg, Serg. Wir werden alle sterben.« Er sagte das ruhig. Fast resigniert.
    Der Vater und Giorgi blieben regungslos sitzen, als er die Pistole aus dem Hosenbund zog, entsicherte, quer über den Tisch zielte und abdrückte. Das Knallen war kurz und trocken. Ein Zucken ging durch den Körper des Vaters, begleitet vom kratzenden Geräusch eines Stuhlbeins auf dem Boden. Der Vater senkte den Kopf und starrte auf das Loch in der Serviette, die vor seiner Brust hing und auf deren weißem Leinen eine rote Blume heranwuchs.
    »Sieh mich an«, sagte er laut, und der Vater hob automatisch den Kopf.
    Der andere Schuss ließ ein kleines, schwarzes Loch in der Stirn zurück, die nach vorne kippte und mit einem weichen Klatschen auf dem Teller mit dem palačinka aufschlug.
    Er wandte sich zu Giorgi, der ihn mit offenem Mund anstarrte. Ein roter Streifen zog sich von seinem Mundwinkel übers Kinn. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass das die Marmelade aus dem palačinka des Vaters war. Er schob sich die Pistole unter den Hosenbund.
    »Du musst mich auch erschießen, Serg. «
    »Mit dir habe ich keine Rechnung offen.« Er ging aus der Stube und zog sich die Jacke an, die an der Tür hing.
    Giorgi folgte ihm. »Ich werde mich rächen! Wenn du mich nicht erschießt, werde ich dich finden und dich töten.«
    »Und wie willst du mich finden, Giorgi? «
    »Du kannst dich nicht verstecken. Ich weiß, wer du bist.«
    »Ja? Du hältst mich doch für Serg. Aber Serg Dolac hatte rote Haare und war viel größer als ich. Und ich kann auch nicht schnell laufen, Giorgi. Aber freuen wir uns lieber, dass du mich nicht wiedererkennst. So kann ich dich nämlich am Leben lassen.«
    Dann beugte er sich vor, küsste Giorgi fest auf den Mund, öffnete die Tür und ging.
    Die Zeitungen berichteten über den Mord, aber es wurde niemand gesucht. Und drei Monate später hatte seine Mutter an einem Sonntag von einem Kroaten erzählt, der zu ihr gekommen war und um Hilfe gebeten hatte. Der Mann konnte nicht richtig bezahlen, hatte aber bei seiner Familie gesammelt. Ein Serbe, der seinen Bruder gefoltert hatte, wohnte in der Nachbarschaft. Und schließlich erinnerte sich jemand und erwähnte den kleinen Erlöser.
    Der alte Mann verbrannte sich die Fingerkuppen an der dünnen Zigarette und fluchte laut.
    Er stand auf und trat an die Rezeption. Hinter dem Rücken des Jungen, der auf der anderen Seite der Glasscheibe saß, stand die Fahne der Heilsarmee.
    »Could I please use the phone ? «
    Der Junge sah ihn skeptisch an: »Wenn es ein Ortsgespräch ist.« »Natürlich.«
    Der Junge zeigte hinter sich auf ein kleines Büro, und er ging hinein. Setzte sich hinter den Schreibtisch und starrte das Telefon an. Er dachte an die Stimme seiner Mutter. Wie sie voller Sorge und Angst und doch weich und warm sein konnte. Eine Stimme wie eine Umarmung. Er stand auf, schloss die Tür zur Rezeption und wählte rasch die Nummer des Hotel International. Sie war nicht da. Er hinterließ keine Nachricht. Die Tür ging auf.
    »Es ist nicht erlaubt, die Tür zu schließen«, sagte der Junge. »Okay?«
    »Okay. Sorry . Haben Sie ein Telefonbuch?«
    Der Junge verdrehte die Augen und deutete auf ein dickes Buch, das neben dem Telefon lag. Dann ging er hinaus.
    Er blätterte, bis er Jon Karlsen in der Gøteborggata gefunden hatte. Dann wählte er die Nummer.
     
    *
     
    Thea Nilsen starrte auf das klingelnde Telefon.
    Sie war mit dem Schlüssel, den Jon ihr gegeben hatte, in seine Wohnung gegangen.
    Es hieß, dass es noch

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