Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
Vom Netzwerk:
Schicht auf dem Egertorg übernommen hatte.«
    Martine drehte sich um und sah Harry betroffen an.
    »Sie sind für die Dienstpläne verantwortlich«, sagte Harry. »Als ich das erste Mal bei Ihnen war, habe ich gesehen, dass diese Pläne an einer Tafel hinter der Rezeption hängen. Wo jeder sehen konnte, wer an diesem Abend für den Egertorg eingetragen war. Dort stand Jon Karlsen. «
    »Wie...«
    »Ich habe es überprüft, sowie ich aus dem Krankenhaus zurück war. Dort steht Jons Name. Aber Robert und Jon haben den Dienst getauscht, nachdem dieser Plan gemacht worden war, nicht wahr?«
    Rikard fuhr in die Stensberggate Richtung Bislett.
    Martine biss sich auf die Unterlippe. »Es werden ständig Schichten getauscht, und wenn sie so etwas untereinander ausmachen, erfahre ich das auch nicht immer.«
    Rikard bog in die Sofies gate. Martines Augen weiteten sich.
    »Aber ja, doch, jetzt erinnere ich mich! Robert hat angerufen und mir erzählt, dass sie miteinander getauscht hätten, aber ich müsse mich um nichts kümmern. Wahrscheinlich habe ich deshalb nicht mehr daran gedacht. Aber ... aber, das bedeutet dann ja ... «
    »Jon und Robert sehen sich ziemlich ähnlich«, stellte Harry fest. »Noch dazu in Uniform ... «
    »Und es war Abend, und obendrein schneite es ... «, sagte Martine halblaut, wie zu sich selbst.
    »Ich würde gern wissen, ob jemand bei Ihnen angerufen und sich nach den Dienstplänen erkundigt hat. Vor allem an diesem Abend.« »Nicht dass ich wüsste«, antwortete Martine.
    »Könnten Sie noch einmal nachdenken? Ich rufe Sie dann morgen früh wieder an. «
    »Gerne«, erwiderte Martine.
    Harry hielt ihrem Blick stand, und im Licht der Straßenlaterne, das von draußen hereinfiel, bemerkte er erneut die Unregelmäßigkeit in ihren Pupillen.
    Rikard hielt abrupt an.
    »Woher wussten Sie das?«, wollte Harry wissen.
    »Was?«, fragte Martine schnell.
    »Ich meine den Fahrer«, sagte Harry. »Woher wissen Sie, dass ich hier wohne?«
    »Sie haben es gesagt«, antwortete Rikard. »Ich kenne mich hier aus. Wie Martine schon gesagt hat, ich wohne auch in Bislett. «
    Harry blieb auf dem Bürgersteig stehen und sah dem Wagen nach.
     
    Dieser Junge war ganz eindeutig verliebt. Er hatte zuerst den Umweg hierher gemacht, um anschließend ein paar Minuten mit Martine allein sein zu können. Um mit ihr zu reden. Um die Stille und Ruhe zu haben, die man braucht, wenn man etwas erzählen will, wenn man zeigen will, wer man ist, wenn man seiner Seele freien Lauf lassen und sich selbst entdecken will. All das, was zur Jugend gehört und womit Harry selbst glücklicherweise abgeschlossen hatte. All das nur, um ein freundliches Wort zu bekommen, eine Umarmung, und wegen der Hoffnung auf einen Kuss, bevor sie ging – das Flehen um Liebe der verliebten Idioten. Egal welchen Alters.
    Harry ging langsam auf die Haustür zu. Seine Hand tastete automatisch in der Hosentasche nach den Schlüsseln, während seine Gedanken um etwas kreisten, was er beim besten Willen nicht konkret fassen konnte. Mit den Augen suchte er nach etwas, das er ganz leise hören konnte. Es war ein kaum vernehmliches Geräusch, aber um diese Uhrzeit war es ansonsten totenstill auf der Sofies gate. Harry starrte auf die grauen Schneehügel, die das Räumfahrzeug heute am Straßenrand zusammengeschoben hatte. Es hörte sich wie ein Knistern an. Als würde etwas schmelzen. Unmöglich, es waren 18 Grad minus.
    Harry steckte den Schlüssel ins Schloss.
    Und dann hörte er, dass es kein Schmelzen war. Es war ein Ticken. Er drehte sich langsam um und starrte auf den Schneehaufen. Da glitzerte etwas. Glas.
    Harry ging zurück, bückte sich und hob die Uhr auf. Das Glas von Møllers Geschenk war blank wie eine Wasseroberfläche, ohne den winzigsten Kratzer. Und die Uhrzeit stimmte auf die Sekunde. Zwei Minuten vor der Zeit auf seiner eigenen Uhr. Was hatte Møller gesagt? Damit er noch pünktlich kam, wenn er glaubte, bereits zu spät dran zu sein.

 
    KAPITEL 14
    Nacht auf Freitag, 18. Dezember. Dunkelheit
     
     
    E s knackte und knallte im Holzofen des Obdachlosenheims, als würde ihn jemand mit Steinen bewerfen. Die warme Luft stieg zitternd an den Brandstellen der alten Tapete empor, die einen Geruch nach Nikotin, Leim und ungewaschenen Menschen ausschwitzte, die hier übernachtet hatten und verschwunden waren. Der Bezug des Sofas kratzte noch durch den Stoff seiner Hose.
    Trotz der trockenen, knisternden Wärme des Ofens zitterte er, als er die

Weitere Kostenlose Bücher