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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Bildschirm. »Der läuft jetzt auf 680 Ampere. Nominell hat der eine Kapazität von 500.«
    »Beruhig dich wieder«, konnte Ebbe noch sagen, dann ging auch schon der Alarm los.
    »Scheiße«, rief Ola. »Das war’s. Schau auf die Liste und ruf die Jungs an, die Bereitschaft haben.«
    »Da«, rief Geir. »Das war T2 … und T3 ist auch durchgebrannt.« »Bingo!«, rief Ebbe. »Sollen wir wetten, dass T4 «
    »Zu spät, ist auch schon erledigt«, sagte Geir.
    Ola blickte auf die Übersichtskarte. »Okay«, seufzte er. »Damit haben wir keinen Strom mehr im unteren Teil von Sogn, in Fagerborg und in Bislett. «
    »Komm, wir wetten, wo die Dinger durchgebrannt sind!«, rief Ebbe. »Einen Tausender auf die Kabelmuffe!«
    Geir kniff die Augen zusammen: »Die Trafostation. Fünfhundert reichen aber.«
    »Jetzt hört aber mal auf damit«, brummte Ola. »Ebbe, ruf die Feuerwehr an, ich könnte wetten, dass das da oben brennt.«
    »Ich bin dabei«, sagte Ebbe. »Zweihundert?«
     
    *
     
    Als das Licht im Krankenhauszimmer verlosch, war die Dunkelheit so total, dass Jon im ersten Moment glaubte, er sei erblindet. Dass sein Sehnerv durch den Schlag Schaden genommen und nun mit Verzögerung den Dienst aufgegeben hatte. Doch dann hörte er die Rufe draußen auf dem Flur, erkannte den Umriss des Fensters und begriff, dass der Strom ausgefallen war.
    Er hörte, wie draußen der Stuhl verschoben wurde. Dann öffnete sich die Tür.
    »Hallo, sind Sie da?«, fragte eine Stimme.
    »Ja«, antwortete Jon mit höherer Stimme, als er gedacht hatte. »Ich gehe nur kurz nachsehen, was geschehen ist, bleiben Sie hier, okay?«
    »Ja, aber «
    »Ja?«
    »Gibt es denn hier kein Notstromaggregat?«
    »Ich glaube, das ist nur für den OP und die Intensivstation.« »Ach so «
    Er hörte, wie sich die Schritte des Polizisten entfernten, während er auf das grüne EXIT-Schild über der Tür starrte. Er musste wieder an Ragnhild denken. Auch ihre Beziehung hatte im Dunkel begonnen.
    Nachdem sie gegessen hatten, waren sie durch den nächtlichen Frognerpark bis zum menschenleeren Platz vor dem Monolithen gelaufen und hatten nach Osten über das Zentrum geschaut. Und er hatte ihr die Geschichte erzählt, wie Gustav Vigeland, der eigenwillige Künstler aus Mandal, der Stadt eine Bedingung gestellt hatte, bevor sie den Park mit seinen Skulpturen ausschmücken durfte. Der Park musste so ausgeweitet werden, dass der Monolith in der Mitte der Kirchen stand, die den Park umgaben. Das Haupttor sollte so platziert werden, dass man direkt auf die Uranienborg-Kirche blickte. Die Stadtverwaltung hatte ihm zu verstehen gegeben, dass der Park nicht an einen anderen Ort verlegt werden konnte, worauf Vigeland den Vorschlag gemacht hatte, dann doch die Kirchen woanders wieder aufzubauen.
    Ragnhild sah ihn die ganze Zeit lang nur voller Ernst an, und ihm wurde bewusst, dass ihm die Stärke und Intelligenz dieser Frau Angst einjagte.
    »Ich friere«, sagte sie dann und schauderte in ihrem Mantel.
    »Vielleicht sollten wir zurück «, begann er, doch da hatte sie ihm bereits eine Hand in den Nacken gelegt und zu ihm aufgeblickt. Sie hatte die ungewöhnlichsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Hellblau, fast türkis, mit einer solchen Weiße im umgebenden Augenweiß, dass ihre blasse Haut dagegen beinahe dunkel wirkte.Und er hatte getan, was er immer tat, er hatte den Rücken gekrümmt und sich nach unten gebeugt. Dann war ihre Zunge in seinem Mund verschwunden, nass und warm, ein hartnäckiger Muskel, eine mystische Anakonda, die sich um seine Zunge wand und die Oberhand zu gewinnen versuchte. Er spürte die Wärme durch die dicke Wolle der Anzughose aus dem Fretex, als sie ihre Hand mit beeindruckender Präzision darauflegte.
    »Komm«, flüsterte sie ihm ins Ohr, stellte einen Fuß in den Maschendraht, und er blickte nach unten und sah über den Strümpfen einen weißen Streifen Haut. Dann riss er sich los.
    »Ich kann nicht«, sagte er.
    »Warum nicht?«, stöhnte sie.
    »Ich habe ein Versprechen gegeben. Gott.«
    Sie sah ihn an. Zuerst ungläubig. Dann füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie legte den Kopf an seine Brust und weinte leise. Schließlich sagte sie, sie hätte nicht gedacht, dass sie ihn jemals wiederfinden würde. Er verstand nicht, was sie meinte, sondern streichelte ihr nur die Haare. Das war der Anfang gewesen. Danach trafen sie sich immer in seiner Wohnung, und immer ging die Initiative von ihr aus. Anfangs unternahm sie noch halbherzige

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