Der Eroberer
durchbohrte Ceidre. Ihre Worte hätten nicht schmerzen dürfen, und daher schmerzten sie um so mehr. »Ich hasse ihn«, entgegnete Ceidre. »Er ist ein Mörder, unser Todfeind, ein Normanne. Er nimmt unseren Brüdern das Land weg. Ich könnte ihn niemals heiraten, selbst wenn er den Wunsch hätte, mich zur Frau zu nehmen. «
»Gut.«
»Alice … bist du von Sinnen? Wie kannst du auch nur daran denken, ihn zu heiraten – diesen Eindringling?«
»Wilhelm ist jetzt König«, entgegnete Alice. hochfahrend. »Was kümmert's mich? Es kümmert mich auch nicht, ob Edwin enteignet ist oder nicht. Um die Wahrheit zu sagen, so ist es ohnehin besser. Der Normanne ist der Herr auf Aelfgar, und ich werde seine Gemahlin.« Sie lächelte triumphierend.
»Ich helfe dir zu fliehen«, erbot sich Ceidre. »Wir könnten gemeinsam fortlaufen und Edwin suchen. Er wird uns vor dem Normannen beschützen! «
»Nein! Begreifst du denn nicht? Ich heirate ihn – und ich tue es gern! Aber du, du wirst dich von ihm fernhalten. Du stolzierst vor ihm her, und er hechelt nach dir wie ein brünstiger Hengst. Du wirst ihn nicht in dein Bett locken. Du wirst nicht seine Hure sein, wie deine Mutter die Hure unseres Vaters war. Es ist mir ernst damit, Ceidre. Ich warne dich! «
»Ich werde ihm niemals zu Willen sein«, entgegnete Ceidre schroff.
»Gut.« Alice straffte die Schultern. »Nun zum nächsten Punkt. Was deine Stellung im Haus betrifft.«
»Wie bitte?«
»Ich bin die Herrin von Aelfgar. Ich habe dein Herumlungern satt. Unser Vater lebt nicht mehr, unsere Brüder sind auf der Flucht, viele Männer sind gefallen… Nun ist es an der Zeit, dass du Pflichten übernimmst.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Beim Morgengrauen verschwindest du in die Küche«, befahl Alice. »Du arbeitest von nun an als Küchenhilfe.
Und außerdem nimmst du die Mahlzeiten in der Küche ein wie die anderen Sklaven auch. «
Ceidre starrte sie verständnislos an. Es stimmte, seit die verwitwete Jane vor einem Jahr wieder geheiratet hatte und fortgezogen war, war Alice Herrin auf Aelfgar. Noch nie zuvor hatte man Ceidre eine Dienstbotenarbeit zugewiesen. In Edwins Gegenwart hätte weder Jane noch Alice so etwas je gewagt. »Du machst einen Scherz.«
»Nein. Der Normanne ist damit einverstanden. Er duldet keine Faulenzer im Haus.«
»Er ist damit einverstanden?« wiederholte Ceidre ungläubig.
»Du bist seine Leibeigene, Ceidre, wie alle anderen auch.«
»Ich bin frei«, widersprach Ceidre. »Vater gab mir und meiner Mutter die Freiheit, wie du weißt.«
Alice lächelte böse. »Kannst du es beweisen?«
»Jeder weiß es.«
»Hast du Dokumente?«
»Es gibt keine Dokumente.«
»Also kannst du es nicht beweisen.«
Ceidre wollte das böse Spiel ihrer Schwester nicht wahrhaben. »Aber jeder weiß es!
«
»Wer wird es auf die Bibel schwören – oder vor Gericht? Du? Deine Großmutter, die Hexe? Die Dorfbewohner?
Athelstan? Du bist ein Bastard, Ceidre, weiter nichts. Wessen Wort wird der Lord Glauben schenken, dem Wort einer Leibeigenen oder dem einer Herrin?«
»Unsere Brüder kennen die Wahrheit!«
»Ach wirklich? Aber Ceidre … sie sind nicht hier! «
»Was hast du vor?«
»Das geht dich nichts an. Du lebst in diesem Haus als Sklavin. Wenn du fort willst, werde ich dich wie eine Leibeigene jagen lassen. Wenn du bleibst, gehorchst du meinen Befehlen. Ist das klar?«
Alice würde ihre Heimat nie verlassen, sie war zu sehr damit verwachsen. Hatte Alice dem Normannen eingeredet, dass Ceidre seine Sklavin war? »Du hast dich sehr klar ausgedrückt, Alice.«
»Gut.« Alice lächelte zufrieden.
Eine Gruppe von Männern fällte Bäume für den neuen Palisadenzaun, eine zweite Gruppe hob den tiefen Graben aus, der die Burg umgeben sollte. Es gab eine natürliche Erhebung, auf der die neue Festung stehen sollte, worüber Rolfe sehr erfreut war. Das Dorf musste allerdings weichen, um Platz für den Burghof und die Wirtschaftsgebäude zu schaffen. Der neue Standort der Bauernkaten direkt unter der Palisade war zudem wesentlich günstiger zu verteidigen. Nachdem Rolfe sich davon überzeugt hatte, dass die Arbeiten seinen Anweisungen gemäß korrekt ausgeführt wurden, entledigte er sich seines Wamses und beteiligte sich am Ausheben des Burggrabens.
Sämtliche Dorfbewohner waren zu den Bauarbeiten herangezogen worden. Die Arbeiten auf den Feldern mussten ruhen, bis der Burgfried fertiggestellt war. Zur Mittagszeit legten alle die Arbeit nieder und
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