Der erotische Fremde
murmelte er". „Haben Sie Ihre Meinung geändert? Kommen Sie doch mit mir mit?" Was für wundervolle weiße Zähne, dachte er, als sie an ihrer Unterlippe kaute.
Sollte sie ihm davon erzählen, dass Verdun sein Bild zugeschickt worden war? Aber schließlich wusste sie nichts über ihn und seine Beweggründe. Wenn er nun in Wirklichkeit mit Verdun zusammenarbeitete, ihn aber gleichzeitig hinterging? Sie musste jetzt vor allem auf Schadensbegrenzung hinarbeiten und möglichst verhindern, dass Verdun irgendwelche Hinweise darüber zugespielt wurden, für wen sie arbeitete und was für Informatio nen sie sich aus seinem Computer geholt hatte. Sie musste alles vermeiden, was bei Michel Verdun den Verdacht wecken könnte, Hal Ward habe Zugang zu seinen Geheimrechnern.
Womöglich war das Ganze ein abgekartetes Spiel. Vielleicht hatte Verdun ihre nächtlichen Besuche schon seit Wochen regis triert. Vielleicht hatte er den Fassadenkletterer geschickt, mit der Anweisung, einen Einbruch vorzutäuschen, um dann urplötzlich aufzutauchen und sie dadurch zur Zusammenarbeit mit dem Fassadenkletterer zu zwingen. Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm nichts von dem Foto sagte.
„Jedenfalls ist das alles Ihre Schuld", schloss sie. „Nur Ihretwegen bin ich jetzt in dieser Situation."
„Da haben Sie Recht", erwiderte er freundlich. „Deshalb sollte ich mich jetzt auch um Sie kümmern, oder nicht?"
Da war wieder dieser Blick, der sie erschauern ließ. Ein Leben mit ihm wäre bestimmt nie langweilig.
„Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird", entgegnete sie herablassend.
„Oui", widersprach er. „Sie werden sehen." „Doch, Sie werden sehen", hatte er gesagt. Und tatsächlich, schneller als ihr lieb war, musste sie einsehen, dass sie auf seine Hilfe angewiesen war.
Auf dem Weg zu dem von ihr genannten Gebäude kamen sie an dem Haus vorbei, in dem sich ihr Apartment befand. Direkt vor der Haustür war ein Wagen geparkt. Mit einem Ruck setzte sie sich auf und starrte über den entspannt zurückgelehnten Adonis hinweg aus dem Fenster. Es war Michel Verduns Wagen, sie konnte das Nummernschild erkennen.
Ein Mann saß hinter dem Lenkrad und rauchte. Er blickte kurz hinüber in das Taxi, als sie vorbeifahren.
Wie unprofessionell von ihr! Sie hätte niemals so offensichtlich aus dem Wagen starren dürfen. Um ihren Schreck zu überspielen, neigte sie rasch den Kopf, so als wolle sie ihren Mitfahrer küssen. Sofort nahm er sie in die Arme. „Ah, Sie haben sich entschieden, ma petite." Seine Lippen kamen immer näher.
„Das ist einer von Verduns Leuten dort in dem Wagen", wis perte sie, wobei ihr Mund nur Zentimeter von seinem entfernt war.
„Folgt er uns?"
Sie hob den Kopf ein wenig und spähte durchs Rückfenster. „Nein", murmelte sie. „Glauben Sie etwa, die sind schon in meiner Woh..."
Im nächsten Moment hielt sie den Atem an, als er sie, eine Hand in ihrem Rücken, die andere in ihrem Haar, zu sich hinunterzog.
Und dann spürte sie seine Lippen auf ihrem Mund. Er küsste wundervoll. Sie versank in einem Meer der Sinnlichkeit. Niemals zuvor in ihrem Leben war sie so geküsst worden. Entzückt spürte sie, dass seine Arme sich fester um sie schlössen, während sein Kuss immer intensiver und verlangender wurde.
Wie von selbst glitten ihre Hände zu seinem Gesicht und von dort zu seinem Nacken. Von solch einem Kuss hatte sie geträumt. So geküsst werden und dann sterben, dachte sie und war wie berauscht.
„Und jetzt?" erkundigte sich der Taxifahrer. „Zum Eifelturm?"
Als sie zur Realität zurückfanden, standen sie vor dem Gebäude, das Mariel als Ziel angegeben hatte.
Der Fahrer steckte sich gelassen eine Gauloise zwischen die Lippen und sah seine beiden Fahrgäste geduldig an. Das Taxameter tickte.
Haroun lächelte, berührte zärtlich mit den Fingerspitzen Mariels Lippen und murmelte: „Verduns Wagen stand also vor dem Haus, in dem du wohnst?"
Sie nickte.
„Nun, dann kannst du auf keinen Fall dorthin zurück. Es ist zu gefährlich. Du musst jetzt mir vertrauen."
Da sie im Augenblick auch keine andere Lösung sah, schwieg sie.
„Zum ,Charlemagne', bitte", sagte er wie schon zuvor.
Mit einem theatralischen Schulterzucken gab der Fahrer sich selbst Feuer, inhalierte tief und legte den ersten Gang ein.
„Du wohnst also wirklich im ,Charlemagne'?" fragte sie, jetzt erst recht neugierig darauf, weshalb er in Michel Verduns Firma eingebrochen war.
„Ja. Es ist kaum anzunehmen,
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