Der erotische Fremde
davor, seine Erwartung zu erfüllen. Mariel senkte den Kopf und starrte hinunter in den Park.
Ashraf hat wirklich Recht, sagte sich Harry. Ihr plötzliches Auftauchen ließ sich nicht erklären. Die ganze Sache war zu mysteriös. Er durfte nicht riskieren, so vorzugehen, als sei sie tatsächlich eine Schöne der Nacht, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Trotzdem, ihm war nie zuvor eine Frau begegnet, die eine so starke Anziehung auf ihn ausgeübt hätte. Wie schade! Doch er hatte genug Selbstkontrolle, um ihr nicht das Haar aus dem Nacken zu schieben und sie dort zu küssen - aber wenn sie sich jetzt umdrehte und ihm die Lippen zum Kuss böte, wäre es ihm unmöglich, ihr zu widerstehen.
Einen unendlich langen Augenblick standen sie so da und schwiegen.
„Wollen wir essen?" murmelte Harry schließlich, ließ das Geländer los und schob die Hände in die Taschen seines Kimonos.
„Ja, gern", flüsterte Mariel und wartete ab, bis er sich entfernt hatte, bevor sie sich umdrehte.
„Wir bedienen uns selbst." Er hatte Mansour gesagt, er würde nicht mehr gebraucht werden. Jetzt bereute er das.
Die Nacht war mild und die Luft voller Düfte. Sie aßen und plauderten über dies und das, nur nicht darüber, was sie beide am meisten beschäftigte.
„Kann ich nachher dein Telefon benutzen?" fragte Mariel ir gendwann. „Ich muss mir irgendwie Bargeld organisieren."
Er zog die Brauen zusammen. „Ich kann dir so viel geben, wie du willst."
„Danke, aber das ist nicht nötig. Ich brauche genug, um die Zeit zu überbrücken, bis ich eine neue Scheckkarte habe." Hai würde sicher wollen, dass sie sofort zurück nach Kalifornien kam. Aber ohne Pass war das nicht möglich, und es würde eine Zeit lang dauern, bis sie einen neuen bekäme, falls sie ihn als gestohlen oder verloren meldete.
Vielleicht gab es ja doch einen Weg, noch einmal in ihr Apartment zu gelangen. Nachdenklich blickte sie Fred an. Ein Fassadenkletterer, wenn er denn tatsächlich einer war, wäre dabei von unschätzbarem Wert, aber ...
„Ich werde meinen... einen Freund anrufen und ihn bitten, mir telegrafisch welches zu schicken."
Es ärgerte Harry, dass sie ablehnte, und dass es ihn ärgerte, ärgerte ihn noch mehr. Von wem hatte sie gesprochen? Von einem Freund? Sträubte sie sich deshalb gegen die körperliche Anzie hung zwischen ihnen?
„Sag mir, was du heute Nacht in Verduns Büro wolltest", for derte er brüsk.
Sie sah ihn an. Ihre Wimpern und Brauen waren dunkel. Er fand ihre Augen bemerkenswert. Sie waren grün, mandelförmig und leicht schräg stehend, wie die einer Katze, und ihr Blick war genauso intensiv. Sie hatte recht ausgeprägte, hohe Wangenknochen, was von ihrem knapp schulterlangen Haarschnitt noch betont wurde.
Ihr Make-up hatte sie entfernt und keine neue Schminke aufgetragen. Ihre Lippen waren so frisch und rosig, dass er sie am liebsten geküsst hätte. Ihr heller Teint war makellos.
Wenn er sie jetzt gehen ließe, würde er sie vielleicht nie wieder finden. Er hatte sich die Straße und sogar die Hausnummer gemerkt, vor dem sie Verduns Wagen gesehen hatte, aber was nutzte das, wenn sie nicht mehr dorthin zurückkehrte? Oder wenn sie die Wohnung unter einem anderen Namen gemietet hatte?
„Warum tauschen wir unsere Informationen nicht aus?" sagte er, als sie nicht antwortete. „Vielleicht können wir uns gegenseitig nützlich sein?"
Sie verzog den Mund. „Was für eine Vorstellung! Ich weiß nicht, was du vorhast, du weißt nicht, was ich vorhabe. Solange wir das nicht wissen, können wir es uns nicht leisten, irgendwelche Informationen preiszugeben."
„Wenn wir nicht miteinander reden, werden wir es nie erfahren", entgegnete er.
Sie hob die Hände. „Genau. Ein Teufelskreis."
Er konnte den Ansatz ihrer Brüste sehen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, als ob jetzt nichts auf der Welt wichtiger sei als der Anblick dieser weiblichsten aller weiblichen Formen. Die Vorstellung überraschte ihn selbst, es brachte ihn fast in Verle genheit.
Sie könnte eine Killerin sein. Es gab zwar nichts, das unter Ghasibs Würde gewesen wäre, aber wäre das nicht eine zu ausgeklügelte Intrige? Es würde bedeuten, dass seine Telefonate mit Ashraf abgehört wurden. Und dass jemand hinterlistig genug ge wesen war, eine Agentin in Verduns Büro zu platzieren und als Einbrecherin zu tarnen. Gab es einen besseren Weg, sich in sein Vertrauen einzuschleichen?
Forschend betrachtete er Emmas Gesicht. Sie verbarg etwas, das
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