Der erotische Fremde
bisschen der Liebe widmen, dann soll mich das Glück verlassen? Ich denke, das Gegenteil wird der Fall sein. Und vielleicht wäre es sowieso klüger, hier zu warten, bis unsere Verfolger aufgegeben haben."
„Nein. Lassen Sie uns von hier verschwinden", sagte Mariel energisch. „Wir können nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass Verdun nichts von der Feuerleiter weiß."
Haroun wollte sich nicht von ihr trennen. Vor sich selbst rechtfertigte er das damit, dass sie ihm weitere Informationen über Verdun liefern könnte. „Na schön. Wir gehen zu Ihrem Wagen. Wo steht er genau? Welche Marke, welche Farbe?"
Sie sagte es ihm, öffnete die Tür und ging voraus in den Flur. Mit leichtem Schritt ging er neben ihr die Treppe hinunter. Seine dunkle Gestalt war kaum zu sehen. Er könnte tatsächlich ein Fassadenkletterer sein, dachte Mariel. Aber was hatte er in Verduns Büro gesucht? Stahl er vielleicht Daten von Verdun, um sie selbst weiterzuverkaufen?
Ihr Auto stand zwei Blocks vom Hotel entfernt. Die vom rötlichen Licht unzähliger Lampen erhellten Straßen in diesem Viertel waren voller Menschen. Mariel ging zielsicher voran. Ihre hochhackigen Stiefel begleiteten jeden ihrer Schritte mit einem erotischen Klacken. Sie widerstand der Versuchung, über die Schulter zu blicken, ob er ihr auch tatsächlich folgte, und versuchte stattdessen, möglichst wie eine echte „Professionelle" auszusehen. Sie hängte die Daumen in die Gürtelschlaufen ihres winzigen Rocks und schwang die Hüften. Die ganze Zeit über musste sie sich beherrschen, nicht zu lachen. Sie wusste nicht, ob das von dem überstandenen Stress herrührte oder ob es mit dem Mann hinter ihr zu tun hatte.
An der nächsten Ecke bog sie ab und wartete an der Fußgängerampel. Dabei riskierte sie einen Blick nach hinten. Auf der anderen Straßenseite, noch einen Block entfernt, sah sie Verduns Kompagnon gerade um die Ecke biegen. Jetzt blickte er in ihre Richtung, und dann rannte er auch schon los.
Sie hatte es wirklich übertrieben mit ihrer Verkleidung. Wie sollte sie auf ihren Stilettoabsätzen die ganze Strecke rennen?
Der Fassadenkletterer hatte sie eingeholt. Er packte sie am Arm und rannte weiter.
Verduns Komplize war jetzt weniger als einen Block von ihnen entfernt.
Glücklicherweise stand ihr Auto gleich hinter der nächsten Straßenecke. Keuchend deutete sie nach rechts. Der Fassadenkletterer verstand, und sie immer noch am Arm haltend, zog er sie mit sich um die Ecke.
Da stand ihr Wagen. Mariel griff nach ihrem Rucksäckchen -ein Griff ins Leere - und schrie überrascht auf
„Was ist?"
„Mein Rucksack!" rief sie atemlos. „Ich habe meinen Rucksack liegen lassen! Mit dem Schlüssel!"
„Wo?"
„In dem Büro", krächzte sie.
Sie hatten so viel Glück gehabt. Worin bestand das Glück, wenn Verdun jetzt wusste, dass sie in seinem Büro gewesen waren? fragte er sich.
3. KAPITEL
Sie hörten die Schritte ihres Verfolgers hinter sich. Haroun packte Mariel erneut am Arm und rannte mit ihr quer über die Straße. Mariel hatte kaum Zeit, den Eingang der kleinen Gasse wahrzunehmen, als sie auch schon dorthin abgebogen waren.
Hier war es völlig dunkel, und ihr Auftauchen verursachte einen kleinen Aufruhr in den Abfällen, die in kleinen Haufen auf dem Boden verstreut lagen. Hoffentlich waren es keine Ratten.
Der Fassadenkletterer schien Augen wie ein Luchs zu haben, jedenfalls führte er Mariel sicher bis zum Ende der Gasse, bevor ihre Augen sich überhaupt an die Finsternis gewöhnt hatten. Sie wagten einen Blick zurück und sahen ihren Verfolger am Eingang stehen. Im nächsten Moment hörten sie metallisches Klappern und dann Fluchen. Offenbar hatte ihr Verfolger keine so guten Augen wie der Fassadenkletterer.
Sie überquerten eine weitere Straße und landeten schließlich in einer noch engeren Gasse. Sie befanden sich in der Altstadt von Paris mit ihrem Gewirr schmaler, gewundener Gassen. Doch ihr Verfolger war ihnen immer noch auf den Fersen, auch wenn es ihm bis jetzt nicht mehr gelungen war, den Abstand zu verkleinern.
Mariel war schon völlig außer Atem, als der Fassadenkletterer sie wiederum in eine andere Toreinfahrt zog. Diese führte in eine Sackgasse. Es gab keinen Ausgang weit und breit.
„Oh, nein!" rief Mariel keuchend. „Ist irgendwo eine Feuer..."
Doch der Fassadenkletterer sagte etwas, und sie brach ab.
Er blickte sich in der Dunkelheit um und legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Hier entlang", flüsterte er.
Da
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