Der erste Marsianer
haben.“
Am Spätnachmittag des einundneunzigsten Tages blickte er müde von einem Papierstapel auf und rief einen Adjutanten herein.
„Hier ist eine Meldung, daß die S29A am Tag des Angriffs einen Testflug machen sollte. Wurde der Test ausgeführt? Und wenn ja, was wurde aus der Maschine und ihrem Piloten?“
Niemand wußte es bis zum folgenden Morgen, als ein Leutnant eine Meldung vom Luftwaffenflugplatz R 3 in Texas vorlegte, nach der die S29A einige Stunden nach der Zerstörung ihrer Basis Kane Field dort gelandet sei.
„Das war vor zweiundneunzig Tagen!“ grollte Clark. „Wer ist der Unfähige, der dort das Kommando führt? Herrold? Oh!“
Er verstummte. Er hatte einmal unter Herrold gedient, und bei früheren Vorgesetzten befleißigte man sich besser einer gewissen Zurückhaltung. Später jedoch bemerkte er zu einem Obersten, den er gut kannte: „Herrold ist ein alter Trottel. Wenn einer seiner Untergebenen doppelt soviel Verstand hat wie ein anderer, dann merkt er den Unterschied noch lange nicht.“ Er blickte finster vor sich hin. „Nun, ich glaube, es wird das Beste sein, wir lassen die Maschine überführen. Informieren Sie Herrold, ja?“
Der Überführungsbefehl brachte die höheren Ränge des Stützpunkts R 3 in nicht geringe Verlegenheit. Niemand dort konnte die Maschine fliegen.
„Es ist ein besonderes Flugzeug“, erklärte ein Luftwaffenmajor dem verdrießlich dreinblickenden General Herrold. „Soweit ich unterrichtet bin, mußten die Testpiloten Monate in der Fabrik zubringen und alle möglichen Dinge lernen, bevor sie die Triebwerke anwärmen durften. Die Schwierigkeiten rühren von einer verzwickten Kombination von Raketen- und Düsentriebwerken her.“
„Ich sehe“, sagte General Herrold. Er dachte einige Minuten darüber nach, dann fuhr er fort: „Sie würden nicht lange brauchen, um sich mit der Maschine vertraut zu machen, wie?“
Der andere zuckte mit der Schulter. „Ich fliege seit zehn Jahren Düsenmaschinen, Sir.“
„Gut“, sagte General Herrold. „Noch etwas, Major Bates. Der Testpilot, der die Maschine brachte, ist wegen eines höchst verabscheuungswürdigen Vergehens im Militärgefängnis. Es wäre ein ernster Rückschlag für die Disziplin, wenn er in Freiheit gesetzt würde, nur weil er eine Maschine fliegen kann. Darum werde ich ihn unter Bewachung hierher bringen lassen. Ohne Zweifel kann er Sie in einem Tag oder zwei hinreichend mit der Maschine vertraut machen. Ich möchte, daß Sie keine Gespräche mit ihm führen, außer über rein technische Dinge. Sie werden Ihre Dienstpistole bei sich tragen und daran denken, daß die Maschine wertvoller ist als der Mann. Sein Name ist übrigens Morlake, Captain Robert Morlake.“
Bates salutierte. „Ich werde schon mit ihm fertig, Sir“, sagte er zuversichtlich.
Als die S29A hoch genug war, flog Morlake eine Rolle, aus der er in den Sturzflug überging. Hinter ihm krallte Major Bates nach dem nächsten Handgriff.
„He!“ schrie er. „Was zum Teufel fällt Ihnen ein?“
Morlake wußte es selbst nicht genau. Schon im Moment der Verurteilung zu faktisch lebenslänglicher Haft hatte er beschlossen, das Verdikt des Militärgerichts nicht anzuerkennen. Aber was nun geschehen würde, wußte er nicht.
„Hören Sie, Morlake“, sagte Bates mit leicht bebender Stimme, „damit werden Sie nichts erreichen. Es ist kaum Treibstoff in den Tanks.“
Das war der Grund, warum Morlake keine Zeit verschwendet hatte. Er sagte nichts, saß nur da und wartete die Ereignisse ab. Der Tag war glasklar, die Erde unter ihnen deutlich sichtbar. Sie sah näher aus als sie war.
„Kommen Sie zur Vernunft, Mann!“ Bates’ Nerven zeigten sich der unvermuteten Belastung nicht gewachsen. „Sie haben Ihren Treueid geschworen. Zu dem müssen Sie stehen, auch als Verurteilter.“
Morlake brach sein Schweigen. „Das tue ich.“
„Was sollen dann diese selbstmörderischen Manöver?“
„Ich bin zufällig der einzige Mensch, der weiß, wie man die Identität des Feindes aufdecken kann. Wenn ich zuließe, daß ich weiterhin eingesperrt bleibe, würde ich meinen Eid verletzen.“
Das kam sogar Morlake selbst abenteuerlich vor. Bates mußte es als purer Wahnsinn erscheinen. Und Morlake wußte, daß sein Handeln nicht überlegt war. Aber er hatte in den letzten drei Monaten einen Vorgeschmack von lebenslänglicher Zwangsarbeit erhalten und war entschlossen, jede Fluchtmöglichkeit zu nutzen.
Die Rakete war senkrecht
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