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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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Gaststätte »Stadt Kempten« in der Nähe des Viktualienmarktes, als hätte er einen Zweikampf gewonnen. Er blickte sich um. In der hintersten Ecke saßen Georg und seine Wehrmachtfreunde zusammen mit einem Offizier in französischer Uniform.
    »So erkennt man dich gar nicht wieder«, rief Georg, als Andras auf ihn zuhumpelte. »Warum hast du denn eine Krawatte umgebunden?«
    »Ich gehe ins Krankenhaus«, verkündete Andras stolz.
    »Oh, das ist gut, du lässt dir endlich deine Hämorrhoiden behandeln. Was für ein Glück für die Menschheit!«, prustete Georg und hielt sich den Finger unter die Nase. »Das war aber auch ein Gestank die letzten Nächte!«
    Die Bande amüsierte sich auf seine Kosten. Das war er gewohnt. Andras zögerte.
    »Komm, setz dich endlich, Streuner«, forderte Georg ihn auf, »das Herumstehen in den Gängen ist polizeilich verboten. Steht zumindest an der Tür. Hält sich nur niemand dran.«
    Seine Schwarzmarktfreunde rutschten so lange weiter, bis der französische Offizier an der Ecke beinahe hinunterfiel. Er räusperte sich ungehalten.
    »Eben erfahre ich aus wohlinformierten Kreisen«, wandte sich Georg ihm zu, »dass uns in der französischen Besatzungszone der Verzehr von Weißbrot verboten wurde. Als Zeichen meiner patriotischen Gesinnung mit dem Königreich Bayern und meiner Verbundenheit mit unseren amerikanischen Befreiern – Gott sei ihnen gnädig und vergebe ihnen die Erfindung des Kaugummis – muss ich die Verhandlungen an dieser Stelle abbrechen. Ich setze Sie per Telegramm über die Wiederaufnahme in Kenntnis. Punkt, Komma, Ihr ergebenster heiliger Georg und au revoir .«
    Georg deutete zur Tür. Der Franzose knurrte verärgert und stand auf. Dreist hielt er ihn am Ärmel seiner Uniform fest.
    »Vergessen Sie nicht, unsere Rechnung zu begleichen, sonst müsste ich Sie noch kompromittieren und bloßstellen als gemeinen Antiquitätenschwindler.«
    Widerwillig griff der Offizier in seine Rocktasche und warf einige Geldscheine auf den Tisch.
    » Canaille !«, murmelte er. Dann setzte er sich an den Nebentisch und war bald in neue Verhandlungen über den Transfer von Kunstschätzen zu seinem Landsitz bei Paris vertieft.
    Georg wandte sich wieder Andras zu. »Jetzt hätten wir dem Monsieur fast die Patrona Bavaria vom Marienplatz verscherbelt. Dummheit gepaart mit Gier gehört bestraft im Sinne der Verfolgung der sieben Todsünden. Außerdem - hättest du die wohl in Lebensgröße nicht hinbekommen, oder?«
    »Natürlich hätte ich das, die ist doch nicht so groß«, rechtfertigte sich Andras gekränkt. »Wenn ihr das Gold zum Übermalen besorgt, mach ich euch so eine Figur in drei Tagen.«
    »Ich glaube es dir ja«, beschwichtigte Georg. »Wir werden schon noch einen Dummen finden, der sie erwirbt. Wenn die Russen erst hier sind, haben wir neue Kunden. Aber erzähl, geht es dir nicht gut?«
    »Ich habe diesen Amerikaner wiedergetroffen. Du weißt schon, der eigentlich keiner ist, sondern ein Ehemaliger aus Dachau. Der, dem wir im Juli die Marke geklaut haben.«
    »Selbstverständlich erinnere ich mich in meiner Eigenschaft als Doc Hinkebone an unseren falschen Landsmann. Lieber noch erinnere ich mich allerdings an die Alte, die uns eine wohlschmeckende Gans beschert hat. Aber du hast ja vorgezogen, aus der Trambahn zu fallen, statt mit uns zu speisen.«
    »Er ist auf der Suche nach seinem Vater, und ich habe ihm versprochen, ihm dabei zu helfen«, sagte Andras.
    »Wieso das denn? Der heilige Andras ist die Barmherzigkeit in Person.«
    Georg schniefte so laut, dass sich die Männer an den umliegenden Tischen umdrehten.
    »Ich werde diesen Mann finden, um zu erfahren, wer sein Sohn in Wahrheit ist. Aus ihm bekomme ich nichts heraus. Er liegt in einem Krankenhaus beim Sendlinger Tor. Es hat mich Tage gekostet, um das herauszufinden.« Andras strahlte vor Freude.
    »Warum ist dir das so wichtig?«, fragte Georg.
    »Ich verdanke Martin mein Leben.«
    »Und was hast du vor, wenn du ihn gefunden hast?«, mischte sich einer der ehemaligen Wehrmachtsoldaten ein.
    »Ich werde ihm sagen, dass sein Sohn ihn sucht. Und dann sind wir quitt. Martin und ich. Eine Hand wäscht die andere.«
    Georg schüttelte den Kopf. »Heilige Mutter Gottes, was für ein schlichter Plan! Aber vorher musst du uns ein paar Madonnen zusammenbasteln, damit wir für deine Genesung Messen lesen lassen können. Die gehen weg wie warme Semmeln. Ich hätte nicht gedacht, dass die Franzosen noch dümmer sind als die

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