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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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dem Zimmer. Er humpelte zu dem am Fenster. In dem an der Tür lag unter einer Decke ein unförmiger Fleischberg. Das zur Wand gedrehte Gesicht konnte er nicht erkennen. Andras warf sich angezogen auf sein Bett. Die Krankenschwester runzelte die Stirn und zog die Tür zu.
    Zehn Minuten später erschien sie wieder mit zwei Tabletts. Andras und der Fleischberg unter der Decke hatten sich unterdessen nicht bewegt.
    »Meine Herren, jetzt müssen Sie sich aber doch einmal rühren, wenigstens zum Essen«, bestimmte sie.
    Der Fleischberg schälte sich aus der Decke. Spärliches Haar klebte ihm an den Schläfen, die Backe, auf der er gelegen hatte, war knallrot. Der Kopf saß fast ohne Hals auf den Schultern. Andras nahm er nicht zur Kenntnis, brummelte nur und zeigte auf das Tischchen neben dem Bett. Gehorsam stellte die Krankenschwester das Tablett ab. Andras, der sich aufgesetzt hatte, drückte sie ein zweites auf den Schoß.
    »So meine Herren, guten Appetit.«
    Kaum war sie verschwunden, griff der Mann gierig nach dem Löffel, angelte nach der weißen Schüssel und stellte sie neben seinen Kopf. Er drehte sich von Andras weg und begann, auf den Ellbogen gestützt, den Inhalt in sich hineinzuschaufeln.
    Auf die Minute eine halbe Stunde später holte die Krankenschwesterdie Tabletts wieder ab. Das von Andras war halbvoll, vor Nervosität war ihm der Appetit vergangen. Im Gegensatz zu seinem Zimmergenossen. Der hatte den Napf versalzenen Kartoffeleintopfes sogar ausgeleckt. Dieser kleinwüchsige, verfettete Mann im gelben Pyjama war also Martins Vater, der berühmte Arzt, den Martin so dringend suchte. Stolz erfüllte Andras. Er hatte ihn gefunden, sein Plan war aufgegangen.
    Als die Krankenschwester mit Andras’ Tablett an Martins Vater vorbeiging, winkte der Fette sie zu sich und griff mit einer schwarz behaarten Hand nach ihrem Unterarm. Wortlos deutete er mit der anderen Hand zunächst auf das Tablett und dann auf den Stuhl neben sich. Gehorsam stellte die Schwester das von Andras dort ab und nahm nur das leere mit. Der Fleischberg grunzte wohlig und verkroch sich wieder unter seiner Bettdecke.
    »Sind Sie schon länger hier?«, fragte Andras vorsichtig.
    Er erhielt keine Antwort. In der Ferne grollte ein Gewitter. Andras stand auf und zog die schweren Vorhänge zu. Seine Krücken schob er unter das Bett. Die Hässlichkeit des Zimmers bedeckte nun ein Schleier milchigen Lichts. Die Wände waren mannshoch in einem unangenehmen Braun gestrichen, darüber waren sie weiß gekalkt. Ihm genau gegenüber war noch der Umriss eines abgehängten Kreuzes zu erkennen. Andras fixierte so lange die Umrisse, bis der Unterschied zwischen braun und weiß in der Dunkelheit nicht mehr zu bestimmen war. In den Ecken hingen tote Fliegen in verlassenen Spinnweben. Er fühlte sich wie eine von ihnen, bewegungsunfähig und gefangen in einem verstaubten Netz. Was tat er hier eigentlich? Aus Dankbarkeit mischte er sich in Familienangelegenheiten, die ihn nichts angingen.
     
    Mit Selbstzweifeln vergingen die Stunden, bis ein kaum hörbares Geräusch ihn hochschrecken ließ. Andras sah zur Tür. Ein schmaler Lichtstreif fiel herein. Er wollte eben aufstehen, um die Tür zu schließen, da wurde sie ganz geöffnet und eine Gestalt huschte ins Zimmer und schloss sie von innen. Er zitterte. Sein Bettnachbar knurrte. Es war ein unheimliches Geräusch, kaum mehr menschenähnlich. Die unbekannte Person blieb an die Wand gelehnt stehen, vielleicht hatte auch sie das Knurren überrascht. Andras brach kalter Schweiß aus. Sein Knie begann wieder zu zucken. Dieses Mal war es kein Spiel. Er konnte die Schemen des Eindringlings ausmachen, der sich langsam auf das Bett mit Martins Vater zubewegte. Schritt für Schritt. Der Fleischberg lag still. Die Gestalt beugte sich zu ihm. Wieder knurrte er, noch tiefer, noch bedrohlicher. Andras war unfähig, um Hilfe zu rufen. Ein armlanger Gegenstand verschwand unter der Bettdecke. Die Gestalt richtete sich auf und trat einen Schritt zurück. Dabei stieß sie gegen das Tablett auf dem Stuhl. Krachend fiel es zu Boden. Das Geräusch zerbrechenden Porzellans schmerzte Andras. Sofort sah er sich wieder neben dem Brennofen in Allach stehen, vor sich Scherben, Scherben zerstörter Figuren. Instinktiv zog er die Decke höher aus Angst vor der nun ausstehenden Bestrafung.
    »Du dummes Biest!«, polterte sein Bettnachbar.
    Es tue ihr leid, unendlich leid, sie wollte ihn nicht aufwecken, es tue ihr so leid, entschuldigte sich

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